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Für Johannes Paul I. besteht kein Zweifel: Gott ist auch unsere Mutter

Foto: AP/Plinio Lepri, Montage DER STANDARD

Der kleine Veranstaltungstitel "Gott - Vater und Mutter" hat zu Nervosität in traditionalistischen Internet-Foren geführt. Dabei hat die Diözese Fulda unter dieser Überschrift - wenn man dem Programm im Internet glauben darf - lediglich zu einem kreuzbraven Familienausflug am gestrigen Muttertag eingeladen.

"Gott als Mutter" - das ist nicht eine Sache von gegenderter Theologie oder neuzeitlicher Political Correctness, das hat im jüdisch-christlichen Glauben und in der Theologie Substanz und Relevanz.

Benedikt XVI. geht dem Thema auch im ersten Teil seines Buches "Jesus von Nazareth" nach. Er zitiert den Vergleich der Liebe Gottes mit der Mutterliebe bei Jesaja (66,13): "Wie eine Mutter ihre Söhne tröstet, so tröste ich euch." Besonders beeindruckt zeigt sich der Pontifex davon, dass das hebräische Wort für Gottes Barmherzigkeit gleichbedeutend mit Mutterschoß ist.

Die Tür, die Benedikt öffnet, schlägt er freilich gleich wieder zu. Das ist übrigens eines der Grundmuster seiner Theologie: Zunächst ist er bereit, alle Fragen besonders vielschichtig in alle Richtungen anzudiskutieren, oft feinfühlig - "tastend" ist dabei einer seiner Lieblingsbegriffe. Da formuliert er offene Sätze wie: "Natürlich ist Gott weder Mann noch Frau, sondern eben Gott, der Schöpfer von Mann und Frau." Nach der Öffnung folgt aber stets ein sehr forscher, rigider - und oft mit nicht ausreichenden Argumenten versehener - Rückzug. In diesem Fall in Richtung eines einseitig patriarchalen Gottesbildes.

Für ihn, so die dünne Begründung, ist in der Bibel Mutter lediglich ein Bild Gottes, aber kein Titel des Allmächtigen. Als ob es Gott auf Titel ankäme! 

Dass er Argumente schuldig bleibt, bekennt er, wenn er formuliert: "Aber auch wenn wir keine absolut zwingenden Begründungen geben können, bleibt für uns die Gebetssprache der ganzen Bibel normativ, in der, wie gesagt, trotz der großen Bilder von der mütterlichen Liebe, Mutter kein Gottestitel, keine Anrede für Gott ist."

So ganz nebenbei schleust er hier ansatzlos den Begriff "normativ" ein, ein kleiner Kunstgriff, der anstelle einer Argumentation einfach eine Vorschrift hinstellt. Unter Berufung auf das Vater-unser-Gebet Jesu schließt er lapidar mit: "Nur so beten wir recht." Das kleine Wörtchen "nur" bringt wieder Benedikts Rigorismus. Aus einem wichtigen Aspekt wird der einzig richtige.

Mit diesem hingeknallten Gebot setzt sich Benedikt außerdem in harten Widerspruch zu dem, was er selbst mit seinem Werk wollte. Im Vorwort schreibt er nämlich explizit, "dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens nach dem 'Angesicht des Herrn'".

Und er fügt fast generös hinzu: "Es steht daher jedermann frei, mir zu widersprechen." Eine Einladung, der man nicht widerstehen kann. Vor allem, wenn der Widerspruch nicht im eigenen Namen erfolgt, sondern im Namen eines anderen Papstes, des für sein herzliches Lächeln bekannt gewordenen Johannes Paul I. Der sagte beim Angelusgebet am 10. September 1978: "Er (Gott) ist unser Vater, mehr noch, er ist unsere Mutter."

Seither dürfen wir auch päpstlich zertifiziert so beten. Es ist doch zu hoffen, dass diese Lehre nicht dazu beigetragen hat, dass dieses Pontifikat mit nur 33 Tagen doch sehr unterdurchschnittlich gedauert hat.

Im Übrigen bin ich der Meinung, dass die Verantwortung der Päpste und des Vatikans am internationalen Missbrauchsskandal geklärt werden muss. Der derzeitige Papst hat bisher lediglich zur Schuld einzelner Priester und Bischöfe Stellung genommen. Zu den Vorgängen innerhalb der vatikanischen Mauern fand er kein Wort. Benedikts beharrliches Schweigen dazu macht ihn als Papst unglaubwürdig. (Wolfgang Bergmann, derStandard.at, 14.5.2012)