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Kinder sind keine kleinen Erwachsenen.

Foto: ap/Patrick Sinkel

Zwischen 50 und 90 Prozent der derzeit eingesetzten Medikamente sind für Kinder gar nicht zugelassen. Das übliche Prozedere für die kleinen Patienten: Für eine angemessene Dosierung rechnen die Mediziner die Empfehlungen für Erwachsene herunter. Diese Medikamente werden dann - weil es für notwendige Behandlungen keine anderen Möglichkeiten gibt - außerhalb der zugelassenen Indikationen (off label, Anm.) eingesetzt, was ein erhöhtes Risiko bedeute. Darauf machen Mediziner der MedUni Wien anlässlich des Internationalen Tages der Klinischen Forschung, der heuer unter dem Motto "Forschen für Kinder-Gesundheit" steht, in einer Aussendung aufmerksam.

Unterschiedliche Reaktionen

"Studien an Kindern sind notwendig, denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen und können auf Medikamente ganz anders reagieren. Deswegen müssen Medikamente für Kinder an Kindern getestet werden. Das müssen die Eltern und die Gesellschaft erkennen", fordert Christoph Male, Mediziner an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde. Der Hintergrund: Studien an Kindern als besonders schützenswerten Personen wurden in der Vergangenheit generell als unethisch eingestuft.

Laut und nach Arzneimittelgesetz (AMG) waren derartige Studien fast unmöglich. Seit 2004 anerkennt das AMG die Notwendigkeit von Studien an Kindern und erlaubt sie unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen. Durch eine EU-Verordnung aus dem Jahr 2006 ist bei Neuzulassung eines Medikaments mittlerweile auch die Testung an Kindern verpflichtend. Das wird die Kindermedizin in den kommenden zehn Jahren deutlich verbessern, heißt es von Seiten der MedUni.

Bedenken der Eltern

Was aber noch immer bleibe, ist die Unsicherheit - vor allem seitens der Eltern, so Male: "Die Bedenken, ein Kind an einer Studie teilnehmen zu lassen sind zwar verständlich, aber überhaupt nicht angebracht. Im Gegenteil: Kinder sind in Studien, die auf die Bedürfnisse und Sicherheit von Kindern Rücksicht nehmen, gut aufgehoben. Besser als bei der alltäglichen Verwendung nicht für Kinder geprüfter Arzneimittel. Klinische Studien stellen die einzige Möglichkeit dar, geeignete Arzneimittel für Kinder verfügbar zu machen."

Arzneimittel für Erwachsene bei Kindern

Bei der derzeitigen Vorgehensweise könnten Nebenwirkungen auftreten, die man bei Erwachsenen noch nie beobachtet habe. Dazu kommt das Risiko der Über- oder Unterdosierung, so Male, der auch Leiter der Arbeitsgruppe "Arzneimittel im Kindesalter" in der österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde ist und außerdem die österreichischen Kinderärzte bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) vertritt.

Selbst wenn man die Eltern von einer Studienteilnahme überzeugt hat, sind die Hürden groß und der Aufwand enorm: Die Studien dürfen nur an kranken Kindern durchgeführt werden und müssen alle Altersgruppen umfassen, von den Neugeborenen bis hin zu Teenagern. "Bei älteren Kindern ist die Versorgung noch recht gut. Je jünger die kleinen PatientInnen und je schwerer erkrankt, desto weniger geeignete Arzneimittel-Therapien gibt es", so Male. Das unterstreiche ganz deutlich die Notwendigkeit der Studienteilnahme ganz kleiner Kinder.

Die MedUni Wien nimmt an multizentrischen Studien mit Kindern teil und ist dabei Teil eines riesigen Netzwerks, um gesicherte Daten für die Forschung für Kinder zu sammeln. Denn oft gibt es nicht in jeder Altersgruppe genügend Kinder mit einer Krankheit, für die ein Medikament getestet werden soll. Deswegen seien Studienteilnehmer aus vielen Zentren erforderlich, erklärt Male. (red, derStandard.at, 14.5.2012)