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Blogger Smith: Bankkonten sollten auf den Dollar umgestellt werden, Kredite auf den Dollar laufen. Grundstücke und Spareinlagen behielten so ihren Wert, die Mittelschicht wäre gerettet.

Foto: Reuters/Kacper Pempel

Kein weißer Rauch in Athen = sinkende Euro- und Börsenkurse = Krise in der Eurozone: Diese Rechnung wollen viele nicht mehr aufgehen lassen. Immer mehr führende Ökonomen und EZB-Notenbanker halten einen Euro-Austritt Griechenlands für die Währungsunion für verkraftbar. Das Land, das sich nicht und nicht zu einer stabilen Regierung durchringen kann, rüttelt an der Tür mit dem Schild "Exit". Für Athen schaut es in diesem Fall düster aus, Stichwort Geldabwertung und Vermögensverfall. Diese Situation lässt skurrile Linderungstherapien sprießen. Ein Ökonom und ein Blogger liefern zwei mögliche Heilkuren: die Annahme des US-Dollar als Währung und die Einführung eines Paralleleuro in Form von Gutscheinen.

Zahltag für Österreich

Griechenland hat ein Problem. Mehrheitsfähig wäre eine Koalition nur, wenn das mit EU, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) ausverhandelte Sparpaket aufgeschnürt wird. Gerade dieses Paket ist für die EZB aber Grundbedingung für das Beibehalten des Euro. In Athen wird nun eine Kurzzeit-Koalition ins Auge gefasst, die zumindest bis zur nächsten Kredittranche im Sommer sparen will. Auf Dauer macht das aber weder Griechen noch Geldgeber glücklich. Nun ist es so, dass drei von vier Griechen weiter mit Euro zahlen wollen. Das passt nicht zusammen, quo vadis Griechenland?

Ein Weg wäre der Austritt aus dem Euro, neuerdings von EU-Beamten und Medien als "Grexit" bezeichnet. Der kommt die verbleibenden Eurostaaten in jedem Fall teuer. Die "Wirtschaftswoche" spricht von über 270 Milliarden Euro, Deutschland allein wäre mit mehr als 75 Milliarden Euro betroffen. Österreich bliebe im besten Fall auf drei, im schlimmsten Fall auf rund sieben Milliarden Euro sitzen (hier finden Sie die Details).

Dollar soll Werteverfall vorbeugen

Zwischen dem Beibehalten des Euro und der Rückkehr zur Drachme gibt es aber noch die erwähnten Beispiele eines Mittelwegs: Dollar und Gutschein-Euro. Für Charles Hugh Smith, einen amerikanischen Wirtschaftsblogger, ist der Dollar eine Möglichkeit, die die Griechen noch haben. In der Eurozone könne man nicht bleiben, sie sei als Markt gescheitert, die Drachme könne man aber auch nicht wiedereinführen, denn in diesem Fall verlöre die Mittelschicht aufgrund der rapiden Geldentwertung zu viel. Die befristete Annahme des US-Dollar hingegen ist für Smith der einzig gangbare Weg, wie er in einem Beitrag im "Business Insider" erklärt. Bankkonten sollten auf den Dollar umgestellt werden, Kredite in Dollar laufen. Grundstücke und Spareinlagen behielten so ihren Wert, die Mittelschicht wäre gerettet.

Schulden nicht bedienen

Doch das ist nur der erste Teil des Smith'schen Reset-Knopfes. Die Schulden, die Athen in Euro aufgeladen hat, würden ganz einfach nicht bedient. "Nicht ein Euro wird zurückgezahlt werden", so Smith. Die Gläubiger müssten büßen, da sie wider die Vernunft gehandelt hätten. Dass das Wegfallen der Abwertungsmöglichkeit im Euroraum der schwachen griechischen Finanzlage gut tun hätte sollen, bezeichnet der US-Amerikaner als "Märchen": "Es war ein großer Betrug, den die Banken, inklusive der Europäischen Zentralbank, ausgenutzt haben, und daher werden sie jetzt, wo das Kartenhaus in sich zusammengefallen ist, die Verluste akzeptieren müssen." Eine Wette einzugehen heiße auch, verlieren zu können.

Der große Vorteil, den Smith im Dollar sieht, ist seine weltweite Gültigkeit trotz angekratzter Reputation. Athen hätte eine harte Währung zur Verfügung, was Inflation vorbeuge. Die Erlaubnis der USA, die ja den Dollar drucken, bräuchten die Griechen nicht. Es gäbe genug Papierdollar auf der ganzen Welt, ein kleines Land falle da nicht auf. Helfen würde der Segen aus Washington D.C. aber in jedem Fall.

Ebenfalls ein Punkt auf Smiths Agenda ist ein neues Staatsverständnis. Die Menschen von Thessaloniki über Athen bis hin zu den vielen Inseln müssten verstehen, dass nur ein gesunder Staat Zukunft bedeute. Dazu gehöre eine höhere Steuermoral als Ausgleich für einen Staat, der den Bürgern dient.

Was-wäre-wenn-Euro als weitere Möglichkeit

Nicht den US-Dollar, sondern einen "Paralleleuro" sieht hingegen Thomas Mayer als Heilsbringer. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank sieht in Schuldscheinen die Möglichkeit einer geglückten Bruchlandung. "Griechenland kann keine eigenen Euros prägen, deshalb könnte die Regierung in einem solchen Fall Schuldscheine drucken, wie es Argentinien in einer ähnlichen Situation getan hat", wird Mayer in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ") zitiert. Öffentlich Bedienstete wie Polizisten, Soldaten und Lehrer, aber auch Rentner bekämen Euro-Gutscheine anstatt des harten Euro. Der Unterschied zum harten Euro bestünde in dem Versprechen, dass "die Regierung sie gegen Euro eintauschen wird, sobald das Land wieder flüssig ist", schreibt die "FAZ". Das würde einer Firma entsprechen, die gerade nichts im Angebot hat, aber weiter Gutscheine verkauft mit dem Versprechen "Wenn wir die neue Lieferung bekommen, kannst du ihn einlösen".

Ob diese Parallelwährung beim täglichen Einkauf vom Lebensmittelhändler angenommen wird, darin ist sich Mayer selbst nicht sicher: "Wenn die Menschen nicht ganz sicher sind, ob die Schuldscheine (vom Staat, Anm.) bedient werden, könnten sie mit einem Abschlag gehandelt werden." Statt fünf belegten Broten gäbe es dann nur vier. Den echten Harteuro gäbe es zwar noch immer, schließlich würden exportierende Unternehmen in ihm bezahlt. Allerdings würde er zu Hause oder im Ausland gehortet und im inländischen Geldkreislauf zunehmend vom Weicheuro verdrängt, der das Hauptzahlungsmittel für jegliche Form von Konsum - sei es Essen und Trinken, Kleidung oder Mobilität wäre.

Eurozone steht und fällt woanders

In beiden Fällen - Dollar oder Parallel-Euro - könnte am Ende eine neue Drachme herausschauen. Griechenland wäre die Bruchlandung geglückt. Der Segen der Eurozone hängt dann immer noch von Lissabon, Dublin, Rom und Madrid ab. Portugal und Irland brauchen weiterhin Hilfsgelder, Italien und Spanien kämpfen mit hohen Zinsen auf ihre Anleihen. Was passiert in diesen Ländern, sollte Griechenland wirklich aus dem Euroraum ausscheiden? Steigen die Zinsen auf Staatsanleihen, stürmen Menschen die Banken? Die meisten Ökonomen stellen das in Abrede. Dass prinzipiell Ansteckungsgefahr besteht, negieren sich gleichwohl nicht. (Hermann Sussitz, derStandard.at, 14.5.2012)