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Michael Spindelegger bei seiner "Österreich-Rede" in der Wiener Hofburg.

Foto:APA/Jäger

Wien - Lange angekündigt, fand am Montag die "Österreich-Rede" von ÖVP-Chef Michael Spindelegger im Großen Redoutensaal der Wiener Hofburg statt. Der Vizekanzler und Außenminister verordnete dabei seiner Partei zehn Gebote: Ehrlichkeit und Anstand, Vertrauen und Respekt, Verantwortung, Tatkraft und Fleiß, Offenheit und Zusammenhalt sowie Freiheit. Rund um diese zehn "Werte" baute Spindelegger seine Rede auf.

Gerade in turbulenten Zeiten sei es wichtig, sich auf ein "Fundament aus Werten" verlassen zu können, "die uns unsere Eltern gelehrt haben", sagte der Vizekanzler vor 1.200 Gästen, unter denen auch sein 93-jährigen Vater war.

"Eine gute Zukunft aus einer guten Tradition"

Eingegeigt wurde Spindeleggers Auftritt mit einer Balletteinlage zu den Klängen von Tschaikowskys "Dornröschen-Walzer". Begleitet wurde der Vizekanzler bei seinem Einzug vom schwarzen Regierungsteam, den Landesparteiobleuten, den Chefs der ÖVP-Teilorganisationen und Abgeordneten. Unter den Gästen war auch der Apostolische Nuntius in Österreich, Peter Stephan Zurbriggen.

Spindelegger ging gleich zu Beginn seiner Rede unter dem Motto "Zukunft aus Tradition" auf die aktuelle Korruptionsdebatte ein.

Korruption: Ehrlichkeit und Anstand

Österreich habe sich in den letzten Monaten hauptsächlich mit seiner "Vergangenheitsbewältigung" beschäftigt, "die mit dem Wert Ehrlichkeit nichts zu tun hat". Er könne die Vergangenheit nicht ändern, aber er wolle dafür sorgen, dass das in Zukunft nicht mehr passiere, so Spindelegger mit Verweis auf den Verhaltenskodex der ÖVP. Der Parteichef sprach von einer "Krise, in die ein paar Korruptionisten" die Volkspartei gestürzt hätten, betonte aber auch, dass durch strenge Regeln und Sanktionen Korruption nicht mehr als "Kavaliersdelikt" angesehen werden könne. Anstand, Ehrlichkeit und Sauberkeit seien die Werte, die die Menschen von der ÖVP verlangen würden, so der Vizekanzler: "Und genau das werden wir wieder leben."

Vertrauensverlust "Nährboden" für Populisten

Die Menschen hätten das Vertrauen in die Politik verloren, und das sei der "Nährboden" für "Populisten" wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und "Politclowns wie die Piraten", sagte Spindelegger. Die Antwort auf diese Politikverdrossenheit seien mehr Mitbestimmung und mehr Demokratie, womit er für das Demokratiepaket seiner Partei warb.

Steuerzweckwidmung und Initiativrecht

Spindelegger will mehr Mitbestimmung ermöglichen. Durch eine Art Initiativrecht sollen zehn Prozent der Wahlberechtigten eine Volksabstimmung herbeiführen können. Und der ÖVP-Chef will den Österreichern die Möglichkeit geben, zehn Prozent der eigenen Steuerleistung zweckzuwidmen. "Wenn wir mehr Demokratie wagen, dann werden die Menschen auch der traditionellen Politik wieder mehr Vertrauen", hofft der Vizekanzler.

Europa als "Schicksalsgemeinschaft"

Nicht gefehlt hat in Spindeleggers Ansprache das Bekenntnis zur EU und zur Unterstützung des krisengeschüttelten Griechenland. Er verlangte aber gleichzeitig von den Griechen, ihre "Pflichten" für die Solidarität Europas zu erfüllen. Das sei schmerzlich, daran führe aber "kein Weg vorbei". Der Rettungsschirm sei, auch wenn er "unpopulär" sei, notwendig - ebenso wie die Schuldenbremse.

Europa brauche aber auch eine Wachstumsstrategie. Wachstum könne jedoch nicht durch das Anwerfen der Notenpressen oder durch neue Schulden erreicht werden. Das sei eine "ideologische Unterscheidbarkeit" zu anderen Parteien. Es brauche einen Mix aus Schuldenabbau und Investitionen. Europa sei jedenfalls mehr als nur der Euro und der Rettungsschirm, Europa sei eine "Schicksalsgemeinschaft".

Fonds für Jungunternehmer

Zur Ankurbelung der Wirtschaft schlug Spindelegger die Einrichtung eines Fonds für Jungunternehmer vor. Gespeist werden solle dieser aus den Dividenden der Unternehmensbeteiligungen des Bundes oder aus Privatisierungen. Der ÖVP-Chef übte gleichzeitig Kritik am AMS. Dieses würde nicht immer so funktionieren, wie man sich das vorstelle. Dort werde Arbeitslosigkeit oft nur "verwaltet". Teure Kurse würden nicht weiterqualifizieren, sondern nur "die Zahlen kaschieren". Das müsse sich ändern, verlangte Spindelegger und schlug ein Anreizsystem für AMS-Berater vor.

Abgrenzung zu SPÖ

Spindelegger versuchte sich in seiner rund einstündigen "Österreich-Rede" auch vom Koalitionspartner SPÖ abzugrenzen. So lehnte er erneut eine Gesamtschule und eine Erbschaftssteuer ab. Die SPÖ sei "zukunftsängstlich" und fühle sich geradezu "von der Zukunft bedroht". Der Vizekanzler forderte unter anderem eine Verdoppelung der Forschungsquote.

In Richtung SPÖ meinte er, man dürfe den Menschen nicht einreden, dass sie sich nur zurückzulehnen und auf "Geschenke des Staates" zu warten brauchten. Denn die Rechnung zahle am Schluss der "Beschenkte" selbst. Er wolle daher, dass jene, die heute "Gerechtigkeit auf ihre Plakate schreiben, aber in Wahrheit nur Neid und Missgunst säen, entlarvt werden".

Leistung und "Steuerdiät"

Spindelegger teilte aber nicht nur in Richtung Koalitionspartner aus: Die FPÖ sei eine "zukunftsverweigernde Partei", sie wolle "das Rad der Zeit ständig zurückdrehen, Mauern um Österreich bauen". Die Grünen lebten in einer "Scheinwelt der Gutmenschen", und das BZÖ habe die Zukunft schon hinter sich. Die ÖVP hingegen sei "zukunftsbejahend", man wolle die Zukunft auf Basis der Werte gestalten.

Einer dieser von der ÖVP vielbeschworenen Werte ist Leistung: Spindelegger beklagte einmal mehr, dass Österreich ein Hochsteuerland sei. Viele hätten das Gefühl, dass sich Leistung nicht mehr auszahle. "Wir brauchen eine Steuerdiät in Österreich." Voraussetzung sei, die Schulden zu reduzieren. "Erst müssen die Schulden runter, und dann müssen die Steuern runter." Der ÖVP-Chef pochte auf eine Vereinfachung der Steuergesetze sowie auf eine Entlastung des Mittelstandes und der Familien und schlug einen Steuerfreibetrag von 7.000 Euro pro Kind vor. In Richtung SPÖ lehnte er abermals eine Erbschaftssteuer ab.

Wahlfreiheit bei Familie

Beim Thema Familie beschwor Spindelegger getreu der ÖVP-Linie Wahlfreiheit. Er sei oft entsetzt, wenn er etwa die Diskussion verfolge, wonach Teilzeitjobs abgeschafft werden sollten, mit denen so viele Familie und Beruf vereinen könnten - "das wäre doch ein Wahnsinn, wenn wir das abschaffen".

Zu viele Jugendliche könnten nach neun Jahren Schule weder sinnerfassend lesen noch ausreichend rechnen, bedauerte Spindelegger. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen Bildungsreform seien gute Lehrer, die auch Leistung forderten. "Eine reine Kuschelpädagogik wird uns insgesamt nicht weiterbringen." Man müsse den Lehrern Ressourcen und Respekt geben, die besten sollten einen Bonus bekommen. Schulen brauchten mehr Autonomie, damit sie sich die Lehrer selbst aussuchen können.

Erhöhung der Forschungsquote gefordert

Bei Forschung und Entwicklung habe die Politik den Auftrag, für die notwendigen Mittel zu sorgen. Er werde sich dafür einsetzen, dass man von drei Prozent Forschungsquote auf sechs Prozent komme (bis 2025, Anm.). "Es ist kühn, es ist schwer, aber es ist machbar." Man müsse Prioritäten setzen: "Werden wir doch das Land mit der billigsten Bürokratie und mit der höchsten Forschungsquote der Welt." 2025 wolle man außerdem Weltmeister bei den erneuerbaren Energien sein und 100.000 zusätzliche Stellen auf diesem Sektor ermöglichen.

Spindelegger wünscht sich auch eine Neudefinition der Stellung älterer Menschen in der Gesellschaft und will einen "Generationenbeauftragten" installieren. (APA/red, derStandard.at, 14.5.2012)