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Antonis Samaras hat ähnliche Qualitäten wie der Republikaner Mitt Romney. Er kann seine Meinung sehr schnell ändern.

Foto: AP/Messinis

Wahlen inmitten einer nie dagewesenen Wirtschaftskrise abzuhalten, war ein Akt politischer Verrücktheit, schreibt Costas Iordanidis in Kathimerini. Jetzt, wo der griechische Salat angerichtet ist, lässt sich natürlich leicht klagen. Aber es gab Leute (wie den deutschen Finanzminister Schäuble), die den wahl-induzierten Abbruch des Spar-und Reformprogramms kommen sahen, inklusive ungeordneter Staatspleite und Euro-Ausstieg. Und andere, die zu diesen Wahlen gedrängelt haben: Die Kommunisten oder Antonis Samaras zum Beispiel. Der Vorsitzende der konservativen, ehemaligen Regierungspartei Nea Dimokratia und Großmeister politischer Fehleinschätzungen ist weiter am Werk. Seinen Sondierungsauftrag für eine Koalition hat er vergangenen Montag zwischen Mittag- und Abendessen erledigt. Samaras will wieder Neuwahlen. Wie die Kommunisten.

mismatch von Realität

Samaras, ein Berufspolitiker aus vermögender Familie, war in den Wahlkampf mit der Ansage gezogen, er wolle eine "freie Hand" zum Regieren, keine Koalition, die absolute Mehrheit. "Die Leute um ihn müssen verrückt sein", sagte mir ein Athener Politikwissenschaftler, entsetzt über den mismatch von Realität und dem, was Samaras den Wählern zu verkaufen versuchte. Die Griechen wollten keine großen Parteien mehr und keine hölzernen Reden aus 35 Jahren Wahlkampfpraxis, erklärte der Politologe, ein breites politische Bündnis, um das Sparprogramm weiterzuführen, war absolut zwingend.

Umfragen sagten der Nea Dimokratia etwa 25 Prozent der Stimmen voraus, in der Parteizentrale hielt man in den letzten Tagen vor der Wahl knapp 30 Prozent für möglich. ND-Wähler, die gegen die Steuererhöhungen und Pensionskürzungen waren, würden zurückkommen, hieß es. Und die neue Ein-Mann-Partei "Unbhängige Griechen" von Panos Kammenos sei ein Ballon, der am Wahlsonntag platze. Kammenos war ein ND-Abgeordneter, der im vergangenen Februar gegen das zweite Sparpaket gestimmt hatte, das den Griechen für den neuen 130-Milliarden-Kredit auferlegt worden war. Samaras hatte ihn umgehend aus der Fraktion ausgeschlossen - zusammen mit einem Viertel anderer Parlamentarier; es war nicht so, dass Samaras keine Opfer für seine Kurswechsel gebracht hätte; er hat sie nur nicht offen genug vertreten.

"Regierung der nationalen Rettung"

Kammenos erhielt am Ende aus dem Stand 10,6 Prozent und 33 Sitze im neuen Parlament, Samaras stürzte auf 18,85 Prozent ab. Zusammen mit dem starken Abschneiden der Links-Allianz Syriza war das die Überraschung des Wahlabends. Die Abstrafung der Nea Dimokratia war so fürchterlich ausgefallen, dass es nicht einmal zu einer Koalition mit der Pasok reichte; deren historische Niederlage war ohnehin erwartet worden.

Samaras proklamierte noch in der Wahlnacht als Ziel die Bildung einer "Regierung der nationalen Rettung", also das, was er zuvor genau nicht wollte. Nach einer erfolglosen Sondierungsrunde, für die er als Chef der relativ stärksten Partei den Auftrag erhalten hatte, kam der nächste Kurswechsel: jetzt eine Sammlung aller Mitte-Rechtskräfte für eine Regierung nach einer neuerlichen Wahl; also eine Einladung an die Kammenos-Wähler und -Abgeordnete, zur ND zurückzukehren, aber auch an die versprengten Zentrumspolitiker wie Dora Bakoyannis - sie war von Samaras 2010 ausgeschlossen worden, - ironischerweise, weil sie für das erste Sparpaket gestimmt hatte. Ein Bündnis mit der Pasok hatte Samaras nun wieder abgeschrieben.

Samaras lässt Gespräche platzen

Denn Antonis Samaras war schon vor dieser Chaos-Wahl ein Flip-Flopper: Große Teile der Sparauflagen für den ersten Milliardenkredit an Griechenland im Mai 2010 hatte er abgelehnt. Als ein Jahr später klar wurde, dass die damalige Regierung des Sozialisten Giorgos Papandreou die vereinbarten Reformen und Sparbeschlüsse verschleppt und die Kreditgeber Druck machten, verweigerte Samaras den Eintritt in eine große Koalition. Papandreou müsse erst zurücktreten, verlangte er. Als der Sozialist dazu auch bereit schien, ließ Samaras die Gespräche dennoch platzen. "Wenn wir gemeinsame Sache mit den Sozialisten machen, gehen wir auch unter", sagte mir ein enger Berater von Samaras damals.

Papandreou bildete die Regierung um und tauschte den Finanzminister aus. Jetzt kam Evangelos Venizelos zum Zug, der mehr politische Autorität besaß als sein Vorgänger im Amt, Papakonstantinou. Als sich Papandreou Ende Oktober 2011 mit dem Vorschlag, ein Referendum über Kredit und Sparprogramm abzuhalten, selbst abschoss, änderte Samaras seine Haltung. Jetzt ließ sich der Eintritt in eine Regierung nicht mehr abwenden. Der ND-Vorsitzende wollte allerdings so wenig wie möglich mit der Regierung der nationalen Einheit von Übergangspremier Lukas Papademos zu tun haben. Samaras bestand auf rasche Neuwahlen. Noch sagten Umfragen voraus, dass er der nächste Regierungschef sein würde.

Mehrheit der Wähler glaubt ihm nicht

Zweimal nötigte die EU-Kommission Samaras eine schriftliche Erklärung ab, dass er auch nach Wahlen zu den Sparbeschlüssen stehe. Seine Fraktion im Parlament ließ er nun von November an regelmäßig für neue Sparmaßnahmen stimmen. Doch im Wahlkampf versprach der Konservative plötzlich wieder Änderungen an den Kreditvereinbarungen, die Rückgängigmachung der Kürzungen bei den Pensionen, mehr Zeit bei der Rückzahlung von Krediten für verschuldete Familien bei den Rekordverluste schreibenden Banken. Die Mehrheit der Wähler glaubte ihm nicht mehr. Dass sie Samaras und der Nea Dimokratia bei nochmaligen Neuwahlen im Juni in Massen zulaufen werden, ist eben nur das: ein Wunsch.