In Europa existieren und entstehen derzeit jede Menge Protestparteien, die ihr Aufblühen der Wirtschafts-und Eurokrise verdanken. Die rechtsextremen Protestparteien sehen die Immigranten als Sündenböcke, weil sie Sozialleistungen beziehen und (einfache) Arbeitsplätze wegnehmen, sind aber ebenso strikt gegen ein Einbremsen der Schuldenorgien wie die linken und linksextremen Protestler.

Links wie rechts sind gegen "Spardiktate" , gegen einen Rückzug des Staates und seiner Ausgabenpolitik insgesamt. Die Alimentierung des "kleinen Mannes" durch den Staat soll weitergehen, notfalls auf weitere Schulden, wenn das nicht mehr geht, dann eben mit Steuererhöhungen für die "Reichen".

Diese Rezepte genießen einen breiten gesellschaftlichen Konsens und sind auch schon in den demokratischen Mainstream eingedrungen. Die französischen Sozialisten unter Hollande wollen das Rentenantrittsalter von 62 auf 60 herabsetzen und 50.000 neue Lehrer einstellen. Die Mittel dafür sollen teils durch eine Aufweichung des europäischen Fiskalpaktes (der die Schuldenmacherei eingrenzen will) finanziert werden; teils durch Steuererhöhungen für die "Reichen".

In Österreich haben Arbeiterkammer, ÖGB, der linke Flügel der SPÖ und die Grünen, die man nur leicht polemisch unter dem Begriff " Volkskommissariate für Enteignungsfragen" zusammenfassen könnte, angekündigt, dass sie bei ihrer Forderung nach Vermögenssubstanzsteuer, Erbschafts-und Schenkungssteuer nicht locker lassen wollen, selbst, wenn es diesmal (Sparpaket) noch nicht geklappt hat.

Was es bisher noch nicht gibt, sind Protestparteien und -bewegungen der Mittelschicht, die das zu finanzieren haben wird. Eine Erhöhung der Staatsverschuldung ist eine indirekte Belastung der Mittelschicht, weil sie die Inflation hochtreibt. Vermögenssubstanzsteuern sind natürlich ein direkter Zugriff.

Protestparteien der besserverdienenden, eigentum-schaffenden Mittelschicht, die den größten Teil der Steuerlast schultert, wäre eigentlich logisch, ist aber nicht auszumachen.

In Österreich könnte man noch am ehesten die angedachte Stronach-Partei darunter subsumieren. Aber als Führer oder auch nur Hintermann einer Mittelschichtspartei macht sich ein Milliardär nicht so gut; und außerdem sind seine Rezepte erstens allzu schlicht und zweitens am Rande des Undemokratischen.

Die "Piraten" hingegen sind die Enteignungspartei schlechthin, denn ihre beiden Hauptforderungen sind einerseits Diebstahl von geistigem Eigentum und andererseits das bedingungslose Grundeinkommen, unabhängig von individueller Bedürftigkeit.

Die ÖVP versucht gerade zu ihren alten Werten zu finden, wird aber zumindest derzeit von etlichen nicht mehr als Verteidigerin der Mittelschicht gesehen.

Es gibt gute Argumente dafür , den "sozialen Ausgleich" nicht zu missachten, aber jene, die ihn letztlich finanzieren, und das ist die Mittelschicht, haben im Moment keine starke Vertretung. (Hans Rauscher, DER STANDARD, 12.5.2012)