Wien - Bäume umarmen und Bürger befragen - die Wiener Volkspartei gibt sich seit neuestem wutbürgerlich und versucht, neben den Freiheitlichen wahrgenommen zu werden. Wenn es sein muss, macht man mit den Blauen auch öfter gemeinsame Sache als früher.

Dass für die Stadtschwarzen bei der thematischen Umsetzung oft "knapp daneben ist auch vorbei" gilt, ficht die VP-Ratshaustruppe rund um Parteichef Manfred Juraczka nicht an. Die Umgestaltung der Mariahilfer Straße etwa war längst auf Schiene - die VP führte dennoch unverdrossen eine Befragung der Bewohner von Mariahilf und Neubau durch. Und nun, da die Ausweitung des Parkpickerls beschlossen, ruft die Wiener VP nun zu einer Volksbefragung auf. Juraczka der einst im STANDARD-Interview sagte, er wolle "keine autogerechte Stadt", schießt sich dabei vor allem auf Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou von den Grünen ein.

"Grüne Spielwiese Verkehr"

Die SP sei "behäbig wie eh und je", erklärt der VP-Chef. Die Grünen hingegen böten mit ihrer Umtriebigkeit auf "der Spielwiese Verkehr" mehr Angriffsziele. Der Zeitpunkt einer Volksbefragung zum Parkpickerl sei keinesfalls zu spät: "Im Gegenteil, jetzt sind die Bürger sensibilisiert."

Bei anderen Themen lassen die Schwarzen - so gut wie - aus. Gesundheitspolitik? Fehlanzeige. Integration? Wird gleich an Staatssekretär Sebastian Kurz ausgelagert. Als eine der wenigen versucht Bildungs- und Kultursprecherin Isabella Leeb mit Inhalten zu punkten - etwa bei der Kunsthalle oder den Troubles bei der Sanierung des Stadthallenbades. Ansonsten müssen Bezirksvorsteherinnen wie Veronika Mickel (Josefstadt) und Ursula Stenzel (Innere Stadt) für oppositionelle Impulse sorgen.

Mit der Wiener FP, von Juraczka stets als "Krawallopposition" bezeichnet, sind die Schwarzen zunehmend im Kuschelkurs unterwegs. Im Gemeinderat unterstützten sie den blauen Misstrauensantrag gegen Vassilakou. Auf Bezirksebene stimmten sie dem Antrag der FP auf ein gratis Parkpickerl für die Döblinger zu.

Beide Oppositionsparteien setzen seit Monaten auf imagefremde Themen. " Rettet die Umwelt vor Rot-Grün", rief unlängst die VP und warnte vor dem " Baum-Mord auf der Wiedner Hauptstraße". Die FP inszeniert sich als Anwaltschaft der Missbrauchsopfer in städtischen Kinderheimen und führt Video-Interviews von missbrauchten Exheimkindern auf Pressekonferenzen vor. Zwei VP-Unterschriften würden für eine Untersuchungskommission fehlen, appellieren die Blauen auf ihrer Homepage. Es sei nicht auszuschließen, dass die VP dem Drängen nachgibt, sagt Juraczka.

Was den Schwarzen noch ein Anliegen ist? "Bürgerbeteiligung", meint der VP-Chef. Umwelt und direkte Demokratie seien schließlich kein Monopol der Grünen - ob die grünen Themen allerdings der VP abgenommen werden, darf bezweifelt werden. (Bettina Fernsebner-Kokert, Julia Herrnböck, DER STANDARD, 11.5.2012)