Wie bei jeder Release gibt es auch für das mit dem Codenamen "Beefy Miracle" genötigte Fedora 17 ein neues Wallpaper.

Screenshot: Andreas Proschofsky

In Sachen Softwareauswahl gibt es wenige Neuerungen, eigentlich ist hier im Vergleich zu Fedora 16 alles gleich geblieben.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Jenseits der Default-Wahl gibt es aber einiges Interessantes, allem voran das vor allem zu Virtualisierungsaufgaben geeignete "Boxes", das seinen Schwerpunkt auf möglichst einfache Nutzung legt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die Nutzung von LLVMpipe ermöglicht den Einsatz von Software-Rendering für 3D-Aufgaben an Stellen, an denen das bisher nicht möglich war. So läuft nun etwa die GNOME Shell von Haus aus in virtuellen Maschinen, und das auf halbwegs aktuellen Systemen auch durchaus flott. Ebenfalls zu sehen: Bei der LiveCD wird direkt nach dem Booten nun ein Dialog eingeblendet, der die rasche Installation des Systems anbietet.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Der Desktop kommt wie gewohnt von GNOME, hier in der aktuellen Version 3.4.1 enthalten und weitgehend unmodifiziert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die GNOME-Online-Accounts erlauben nun - nach der Google-Anbindung von Fedora 16 - auch die desktopweite Autorisierung für Facebook und Windows Live. Beides wird derzeit aber "nur" für Chat-Aufgaben genutzt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Der Musikplayer ist bei Fedora schon seit Ewigkeiten Rhythmbox, und das ändert sich auch mit der neuen Ausgabe nicht.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ebenfalls von Haus aus mit dabei ist das GNOME Disk Utility, das seinen Fokus nun weniger auf Enterprise- denn auf Desktop-Funktionen legt.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die GNOME Documents wurden für die aktuelle Version auch grafisch wieder deutlich umgebaut, bieten zentralen Zugriff auf lokale und bei Google gespeicherte Dokumente.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Ist noch kein Adressbuch vorhanden, lässt der Desktop die Auswahl zwischen der Einrichtung eines lokalen Adressbuchs und der Nutzung von bei Google abgelegten Informationen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Zu einer immer interessanteren - und vor allem sehr schlanken - Alternative entwickelt sich der GNOME-Browser Epiphany, der mit der neuen Version nach außen nur mehr unter dem schlichten Namen "Web" firmiert.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Die Welt der Linux-Distributionen ist bereits seit einigen Jahren durch eine etwas paradoxe Situation geprägt: Ubuntu mag zwar jene Linux-Distribution sein, die das größte öffentliche Interesse generiert, Geld wird mit dem freien Betriebssystem aber woanders verdient. Während Canonical bis heute von der privaten Unterstützung des Software-Milliardärs Mark Shuttleworth abhängig ist, durfte sich Red Hat erst unlängst darüber freuen, als erstes reines Open-Source-Unternehmen mehr als eine Milliarde US-Dollar pro Geschäftsjahr erzielt zu haben.

Eine entsprechend zentrale Rolle nimmt Red Hat mittlerweile in der Linux-Entwicklung ein, und zwar quer durch den computerisierten "Gemüsegarten". Vom Kernel bis zum Desktop - praktisch überall sind Red-Hat-EntwicklerInnen maßgeblich beteiligt, und das Unternehmen stellt weiterhin kräftig ein. Die Basis des kommerziell äußerst erfolgreichen "Red Hat Enterprise Linux" bildet das Community-Projekt Fedora, das zwar offiziell weitgehend unabhängig verwaltet wird, de fakto aber von Red Hat als ein Experimentierfeld für neue Technologien genutzt wird - in dieser Hinsicht also anderen Distributionen immer einen Tick - oder auch zwei - voraus ist.

Fedora 17

Im gewohnten sechsmonatigen Rhythmus gibt es nun wieder eine neue Version der Linux-Distribution: Fedora 17 trägt den im Vorfeld auch intern äußerst kontrovers diskutierten Codenamen "Beefy Miracle", viel wichtiger aber: Die neue Version steht ab sofort kostenlos zum Download. Dabei stehen wie gewohnt diverse Varianten zur Auswahl: Neben der Default-Wahl - "Live-CD mit GNOME-Desktop", sind ein umfassendes DVD-Image und diverse Spins mit anderen Desktops (etwa KDE oder Xfce) bzw. einem speziellen Fokus erhältlich.

Installation

In Fragen Installation fällt negativ auf, was nicht auffällt: Gegenüber der Vorgängerversion hat sich hier praktisch nichts getan, das schon seit einiger Zeit in Planung befindliche Redesign dieses Bereichs sucht man also weiterhin vergeblich. Ebenfalls - einmal mehr - nichts geworden ist es mit den Bestrebungen btrfs zum neuen Default-Dateisystem zu machen. Vor allem zwei Faktoren waren für diese Entscheidung ausschlaggebend: Einerseits ist das zugehörige Reparatur-Tool nicht rechtzeitig fertig geworden, andererseits kann der Installer Anaconda bisher keine btrfs-Partitionen interaktiv verändern. Zumindest steht btrfs als Alternative zur Wahl - allerdings nur wenn man die DVD zur Installation nutzt. Ansonsten darf man sich über die btrfs-Verzögerungen mit der Erkenntnis hinwegtrösten, dass das derzeit von Haus aus genutzte ext4 ebenfalls Fortschritte macht, beispielsweise nun auch Dateisysteme in Größen jenseits von 16 TByte unterstützt.

Kernfragen

Der Kernel trägt bei Fedora derzeit die Version 3.3.4, und bringt für NutzerInnen aktueller Intel-Systeme eine sehr relevante Verbesserung im Vergleich zur Vorgängerversion: Die Unterstützung eines besonders tiefen Schlafmodus namens RC6, der entsprechenden Laptops eine signifikant gesteigerte Akkulaufzeit beschert. Weitere Fortschritte hat die Umstellung auf das Bootsystem Systemd gemacht, hier nutzen nun zahlreiche weitere Programme die nativen "Units" statt alter Init-Skripte. Die neuen Logging-Funktionen von Systemd kommen derzeit noch nicht zum Einsatz, Fedora 17 verwendet dafür weiterhin eigenständige Tools, selbst für Fedora 18 gibt es derzeit noch keine Pläne diesen Umstand zu ändern.

Multi-Seat

Apropos Systemd: Mit der aktuellen Version der Distribution wird das Session Management vollständig von Systemd übernommen, das bisher dafür zuständige Consolekit wurde hingegen entfernt. Dazu waren Umbauten an unterschiedlichsten Komponenten des Systems nötig, die sich aber definitiv ausgezahlt haben. Gibt es dadurch doch nun einen vollständigen und automatischen Multi-Seat-Support, wie er vor allem bei Internet-Cafes oder in Klassenräumen gerne genutzt wird. Die richtige Hardware vorausgesetzt, können dann mehrere Personen gleichzeitig an einem Rechner arbeiten, bekommen automatisch eine eigenen Screen zugewiesen, auch Maus und Tastatur sind von anderen NutzerInnen unabhängig.

GNOME

Als Desktop steht bei Fedora ganz der GNOME im Vordergrund, wie gewohnt liefert man hier eine aktuelle stabile Release (3.4.1) aus. Bei Fedora gibt es GNOME in seiner reinsten Form, entsprechend erbt man auch automatisch alle dessen Neuerungen. Und diese können sich durchaus sehen lassen: So wird nun das bisher im Panel brach liegende App-Menü des Desktops von einigen Programmen aktiv genutzt, die "GNOME Contacts" und "Documents" wurden einer Umgestaltung unterzogen, auch die GNOME Shell selbst und das Fenstermanagement wurden weiter verbessert. All dies wurde aber an anderer Stelle bereits ausführlich besprochen, um das Déjà-vu-Feeling minimal zu halten, sei also einfach auf den entsprechenden Artikel verwiesen.

Die Default-Softwareausstattung von Fedora 17 besteht denn auch zum größten Teil aus GNOME-Komponenten, etwa dem Mail-Client Evolution, dem Dateimanager Nautilus (jetzt mit Undo-Support) oder dem Instant Messenger Empathy. Aber es gibt auch einige - gewohnte - Ausnahmen: Statt dem GNOME-eigenen Epiphany / Web kommt einmal mehr Firefox (hier: 12) zum Einsatz. Interessierten NutzerInnen sei an dieser Stelle trotzdem empfohlen, einmal in den GNOME-Browser hineinzuschnüffeln. Dieser hat aktuell ein vollständiges Redesign erfahren, und bietet nicht zuletzt eine hervorragenden Web-App-Integration für den Desktop.

Ausstattung

Ansonsten gibt es in Fragen Softwareausstattung wenig Überraschungen, die Bildverwaltung Shotwell ist ebenso mit dabei wie der Bittorrent-Client Transmission oder der Musik-Player Rhythmbox. Ein echter Fortschritt ist, dass bereits die vor kurzem veröffentlichte Bildbearbeitung GIMP 2.8 zur Auswahl steht, die nun alternativ einen Ein-Fenster-Modus bietet. Nur beim DVD-Install wandert LibreOffice von Haus aus mit auf die Platte, dann aber gleich die Version 3.5.2. Neben den in früheren Tests schon ausführlich kritisierten, Fedora-eigenen Einstellungstool, die in vielen Fällen lediglich GNOME-Funktionalität duplizieren, könnte man vielleicht auch mal überlegen, ob es wirklich noch zeitgemäß ist, ein CD-Rip-Programm wie Sound-Juicer auf die Live-CD zu packen. Wer so etwas wirklich benötigt, kann es schließlich auch schnell nachinstallieren.

Boxes

Sein Debüt gibt in Fedora 17 ein Programm namens GNOME Boxes: Dieses dient derzeit vor allem als ganz auf einfache Nutzung ausgelegte Virtualisierungslösung (mit einem Anflug von Remote-Desktop-Fähigkeiten). Im Hintergrund werkt das ebenfalls von Red Hat maßgeblich entwickelte KVM, und auch wenn man sich mit bekannten Lösungen wie Virtualbox in Hinblick auf die Funktionsvielfalt noch nicht messen kann - oder gar will - so gefällt doch vor allem die gute Integration mit dem Desktop, etwa indem auf der Festplatte abgelagerte Installationsmedien automatisch dargeboten werden.

Software Rendering

Nicht nur - aber ganz besonders - für den Einsatz in einer virtualisierten Umgebung wichtig, ist eine andere Neuerung von Fedora 17: Wird doch nun die LLVMpipe dort zum Software Rendering genutzt, wo die 3D-Hardwareunterstützung fehlt. Konkret bedeutet dies, dass die GNOME Shell jetzt auch ohne jegliche Modifikationen innerhalb von virtuellen Maschinen (VM) läuft, und das mit einer durchaus ansprechenden Performance, wie sich im Test zeigt. Der bisher als Ausweg gewählte, abgespeckte "Fallback-Modus" verliert somit deutlich an Relevanz, kann zumindest derzeit aber weiterhin manuell angewählt werden. Übrigens will auch Ubuntu diesen Schritt für die kommenden Release beschreiten, die 2D-Ausgabe des eigenen Desktops Unity dann in Pension schicken.

Die LLVMpipe nutzt Fedora aber nicht nur für den Einsatz in VMs, sie kommt jetzt auch für besonders alte Grafikkarten zum Einsatz, etwa von Matrox oder S3. Deren eigene Treiber würden seit Jahren nicht mehr gewartet, so die Argumentation. Die Entfernung solch veralteter Komponenten sollte insofern helfen, die Komplexität des Linux-Grafik-Stacks zumindest ein kleines Stück zu reduzieren. Nicht verschwiegen sei allerdings, dass durch diese Umbauten sehr alte (~10 Jahre) Systeme ein Problem mit dem neuen Fedora haben könnten, da das Software Rendering erst mit SSE2-Support bei Prozessoren halbwegs performant ist. Da hilft dann wohl wieder nur die manuelle Flucht in den "Fallback Modus".

Netzwerk

Ein weiterer Neuzugang ist der Multitouch-Support, der durch diverse Änderungen an GNOME und dem Grafikserver X möglich wurde. Der NetworkManager hat einige zusätzliche Enterprise-Funktionen spendiert bekommen, etwa VLAN- und Bridge-Support oder die Möglichkeit unterschiedliche Netzwerkzonen zu definieren, an die dann individuelle Firewall-Regeln angelegt werden. Dazu passend kommt nun firewalld als Default-Firewall-Lösung zum Einsatz, dessen Vorzüge vor allem darin bestehen, neue Regeln ohne Neustart der Firewall anlegen zu können.

Dateistruktur

Mit der neuen Fedora-Version schrauben die EntwicklerInnen zudem ein stückweit an der Dateihierarchie von Linux. So gibt man die separaten /bin, /lib und /sbin-Verzeichnisse auf, verschiebt deren Inhalt vollständig unter /usr, aus Kompatibilitätsgründen gibt es aber noch Symlinks auf die alten Verzeichnisse. Eine durchaus umstrittene Entscheidung, vor allem bei denen, die gerne mit einer separaten /usr-Partition starten wollen. Bei Fedora argumentiert man, dass dies schon jetzt nicht mehr (fehlerfrei) möglich war. Und wer unbedingt einen solchen Aufbau nutzen will, kann dies mithilfe eines initramfs (das gleich am Anfang des Boot-Prozesses die betreffende Partition einbindet, Anm.) noch immer tun. Umgekehrt spräche nicht zuletzt die Vereinfachung der Dateisystemstruktur und die Schaffung eines einheitlichen Orts für alle Systemdateien - von dem dann auch leichter Snapshots genommen werden können - für diese Umstellung.

Auch sonst gibt es die eine oder andere Änderung am Aufbau des Filesystems, so nutzen nun einige Programme ein privates tmp-verzeichnis. Der falsche Umgang mit Dateien in /tmp hat in der Vergangenheit immer wieder zu Sicherheitsproblemen geführt. Außerdem werden Wechselmedien jetzt nicht mehr unter /media, sondern unter einem User-eigenen Unterverzeichnis in /run/media eingebunden. Für all das in dieser Hinsicht Gesagte gilt aber ohnehin: Wer die Kommandozeile scheut, wird von all dem nicht viel merken, am Desktop bleibt im Umgang mit externen Datenträgern alles beim Alten.

Vermischtes

Weitere Neuerung von Fedora 17 im Schnelldurchlauf. Das Drucksystem Cups kann nun das Farbmanagement von colord nutzen, um Bilder entsprechend optimiert auszugeben. KVM bekommt erweitertes Monitoring und Debugging, die Storage-Architektur der Virtualisierungslösung soll mit der neuen Version besser skalieren, die "Virtualization Sandbox" soll die Virtualisierung einzelner Programme ermöglichen. Deutlich Fortschritte gibt es zudem in Sachen Cloud Computing - etwa in Form der Aufnahme eines Web-Interfaces für OpenStack und durch die Unterstützung von virtuellen Netzwerk-Services.

Um eine einheitliche Überprüfung der Passwortqualität kümmert sich jetzt die libpwquality, mit tuned gibt es einen Service, der dynamische Stromsparoptimierungen vornehmen soll, und dabei von Tools wie powertop "lernen" kann. tuned ist derzeit aber noch in einem frühen Stadium, entsprechend auch noch nicht von Haus aus installiert. Aktualisiert wurden einmal mehr Java (jetzt als OpenJDK7) und die zugehörige Entwicklungsplattform Eclipse, nun in einer Vorversion der "Juno"-Release enthalten.

Fazit / tl;dr

Fedora 17 bringt die gewohnten Verbesserungen quer durch das gesamte System, in Fragen Aktualität liegt man dabei wieder deutlich vor der Konkurrenz. Vieles was hier zu sehen ist, werden andere Distributionen erst sechs Monate bis ein Jahr später umsetzen. Nichts geändert hat sich aber auch daran, dass Fedora nicht alles gar so einfach macht, wie es etwa bei Ubuntu der Fall ist. Das reicht von der Installation bis zur Notwendigkeit manuell diverse Audio- und Video-Codes nachzureichen (etwa per RPMfusion).

Und doch ist etwas Bewegung zu sehen: Durch die steigenden Investitionen von Red Hat in diesen Bereich, sind signifikante Fortschritte am Desktop zu bemerken. GNOME in der aktuellen Version 3.4 erweist sich mittlerweile als wohl durchdachter und vor allem erfreulich konsistenter Desktop, der so manche Kinderkrankheit der ersten GNOME3-Releases ausgebügelt hat. Insofern: Fedora 17 ist durchaus einen Versuch wert ... (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 29.5.2012)