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Barack Obama schrieb mit einem TV-Interview Geschichte.

Foto:Carolyn Kaster/AP/dapd

Vier Jahre ist es her, dass sich mit der Wahl Barack Obamas zum 44. US-Präsidenten all jene progressiven Kräfte Amerikas bestätigt fühlen durften, die es immer schon gewusst hatten: Mit den Konservativen geht das Land vor die Hunde. Der neue und zugleich erste schwarze Präsident der USA versprach den Wandel, die Stärkung der Bürgerrechte, das Ende der Kriege, kurz: die Neuerfindung Amerikas.

Vier Jahre ist es aber auch her, dass sich all jene rückwärtsgewandten Kräfte Amerikas bestätigt fühlen durften, die es immer schon gewusst hatten: Mit den Liberalen geht das Land vor die Hunde. Die Gesundheitsreform ist de facto gescheitert, Amerikas Kriege werden per Drohne weiter ausgefochten, der Nahost-Konflikt scheint verfahrener denn je.

Es waren vier Jahre, in denen Obama auf Schritt und Tritt und völlig zu Recht an seinen Ambitionen gemessen wurde, vier Jahre, in denen der Präsident kaum ein Prestigevorhaben ohne republikanisches Dauerfeuer umzusetzen vermochte. Und dann gibt er der schlaftrunkenen ABC-Sendung "Good Morning America" ein Interview, und Millionen Amerikaner erinnern sich wieder daran, warum sie damals, vor vier Jahren, so viele Hoffnungen gesetzt haben in den jungen Demokraten. Obama ist der erste amtierende Staatschef der USA, der sich derart offen für gleiche Rechte für Homosexuelle ausspricht.

Was Europäern wenig mehr als ein müdes Schulterzucken zu entlocken vermag, ist für amerikanische Verhältnisse - jedenfalls auf nationaler Ebene - eine veritable Sensation. Allerdings war Obama in dieser Haltung keineswegs stringent, 2008 hatte er sich im Wahlkampf gegen den Republikaner John McCain noch strikt gegen die Homo-Ehe ausgesprochen.

Und natürlich steckt Kalkül hinter seinem Coming-out. Kurz vor Obamas bahnbrechendem Statement ließ das Meinungsforschungsinstitut Gallup erheben, dass erstmals in der Geschichte derartiger Umfragen mehr als die Hälfte der US-Amerikaner die Ehe von Mann und Mann respektive Frau und Frau unterstützen. Und der ohnehin gärende Unterbau der Demokratischen Partei bis hinauf zu Vizepräsident Joseph Biden verlangte vor allem eines von seinem Präsidenten: Rückgrat.

Doch so ist sie nun einmal, die Politik: Geht die Strategie seiner Berater auf, gewinnt Obama durch sein Bekenntnis mehr Wählerstimmen, als er bei seiner Klientel verschreckt. Obama scheint überzeugt zu sein, dass es sich für gleiche Rechte von Homo- und Heterosexuellen zu kämpfen lohnt. Sein Einsatz gegen die "Don't Ask Don't Tell"-Praxis in der Armee hat dies schon 2010 bewiesen. Es wäre zynisch, seinen jetzt bewiesenen Idealismus auf bloße Stimmenmaximierung zu reduzieren.

Der Präsident hat Stellung bezogen, den Boden bereitet für progressive Strömungen, der Ignoranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Beziehungen den Kampf angesagt. Vier Jahre Obama könnten sich am Ende doch gelohnt haben. (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 10.5.2012)