Wien  - Österreich hinkt seinen europäischen Nachbarn hinterher, wenn es um den Schutz von Betroffenen von Zwangsverheiratung geht. Zu diesem Befund kommt der Verein Orient Express, der am Freitag in Wien eine internationale Konferenz zum Thema Zwangsheirat veranstaltet. Die vom Innenministerium und vom Frauenministerium versprochenen Notunterkünfte sind in Planung, man befinde sich auf "intensiver" Suche nach einer geeigneten Einrichtung. Die Kosten für den Betrieb hierfür belaufen sich laut Vereinsangaben auf rund 400.000 Euro jährlich. Laut Schätzungen gibt es hierzulande jährlich rund 200 Anzeigen wegen Zwangsverheiratungen.

Standort immer noch nicht fix

Die Einrichtung einer wiederholt von Frauenverbänden geforderten Notwohnung für von Zwangsheirat bedrohte oder betroffene Frauen wurde von den beiden Ressorts bereits im Sommer des Vorjahres angekündigt. Noch wird jedoch nach einen geeigneten Standort gesucht, schließlich muss die Einrichtung gewisse Sicherheitsstandards erfüllen. Die geplante Wohneinheit soll dann bis zu acht minderjährigen Frauen Unterkunft bieten und so rasch als möglich umgesetzt werden.

Mittel aus Innen- und Frauenministerium

"Mit der Schaffung von Notwohnungen für Opfer von Zwangsheirat setzen wir ein deutliches Zeichen: Zwangsheirat ist in Österreich kein Kavaliersdelikt. Daher ist die Schaffung von Notwohnungen eine logische Konsequenz. Ich hoffe, dass wir damit den betroffenen Frauen Mut machen können, sich zu befreien", meinte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Auch Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek von der SPÖ erklärte: "Es braucht eine Notwohnung für Frauen, die von Zwangsheirat betroffen sind, da bin ich mir mit der Innenministerin einig. Die finanziellen Mittel haben beide Ressorts bereitgestellt." Sie zeigte sich zuversichtlich, dass es die Notwohnung "bald" geben wird.

In Österreich sind seit Jahresbeginn 2012 Zwangsverheiratungen auch dann strafbar, wenn sie im Ausland vollzogen wurden. Unabhängig davon, ob das Delikt im Tatortstaat strafbar ist oder nicht, es reicht aus, dass der Täter oder das Opfer österreichische/r StaatsbürgerIn sind oder ihren Wohnsitz in Österreich haben.

"Best Practice"-Beispiele bei Konferenz

Zwangsheirat sei jedoch kein Problem, das sich lediglich auf ferne Länder beschränkt, sondern gebe es auch in Österreich. Aus diesem Grund lädt Orient Express am Freitag zu einer internationalen Konferenz, um den länderübergreifenden Austausch und die Unterstützung für Betroffene zu fördern. "Der Schwerpunkt unserer Konferenz liegt auf selbstbestimmtem Leben. Wir möchten konkrete Maßnahmen dafür aufzeigen und europäische Vorzeigeprojekte präsentieren", so Gül Ayse Basari, Sprecherin des Vereins. Den bereits erwähnten, dringend geforderten Notunterkünften etwa wird ein eigener Programmpunkt gewidmet. Als symbolischer Abschluss der Konferenz wird am Abend der "Tag der Zwangsheirat" ausgerufen. (APA, 9.5.2012)