Wien - Die Befragung von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F/V) im Korruptions-U-Ausschuss am Dienstag war am Beginn sehr emotionsgeladen, brachte aber wenig Neues. Grassers Auftritt im Ausschuss erinnerte stark an seine erste Befragung zur Buwog-Affäre: Der Ex-Minister nutzte die Öffentlichkeit, um sich selbst wortreich zu verteidigen und seinen ehemaligen Kabinettsmitarbeiter Michael Ramprecht, der ihn belastet, in ein schlechtes Licht zu rücken. Er bezeichnete die Privatisierung der Bundeswohnungen einmal mehr als "rechtlich völlig korrekt" und "Erfolg für die Republik".

Grasser wies den Vorwurf, wonach er das Vergabeverfahren beeinflusst hätte, wiederholt zurück. Dass er sich für eine zweite Bieterrunde der zwei Interessenten CA Immo und Immofinanz entschieden habe, begründete Grasser damit, dass ihm das von den Experten empfohlen worden sei. Und immerhin habe man nach dieser zweiten Runde, in der das Österreich-Konsortium rund um Immofinanz und RLB OÖ den Konkurrenten CA Immo um nur eine Million Euro überbieten konnte, mehr Geld für die Republik herausgeholt.

"Rohrkrepierer"

Die Behauptung, wonach sein früherer Kabinettschef Heinrich Traumüller überraschend gestanden hätte, dass er, Grasser, den Finanzierungsrahmen der CA Immo in Höhe von 960 Millionen Euro gekannt habe, bezeichnete Grasser als "Rohrkrepierer". Er habe immer gesagt, dass ihm diese Summe bekanntgewesen sei, das habe er auch vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt. "Und was bedeutet das? Das bedeutet gar nichts. Ich habe diese Zahl niemandem weitergegeben", so Grasser, der darauf verwies, dass auch mehreren anderen Personen die 960 Millionen gekannt haben. Nach Grassers Darstellung hat dieses Wissen aber keinerlei Bedeutung gehabt, denn der Finanzierungsrahmen der CA Immo habe in der zweiten Runde mehr als eine Milliarden Euro betragen. Das habe die CA Immo in der zweiten Runde aber leider nicht geboten. "Wie viel die CA Immo bieten würde, konnte nur die Immo wissen", so Grasser.

Den Vorwurf, dass eine geplante Sitzung der Vergabekommission am 8. Juni 2004 abgesagt und die zweite Bieterrunde überraschend eingeschoben wurde, ließ Grasser auch nicht gelten. Nach der Empfehlung der Experten, die Bieter zu einem zweiten Angebot einzuladen, hätte es keinen Sinn gehabt, eine Kommissionssitzung abzuhalten, so Grasser. Er habe die zweite Bieterrunde aber nicht "angeordnet", wie im Ausschuss behauptet werde, sondern er sei der Empfehlung der Experten gefolgt. Nachdem die CA Immo in der ersten Runde 922 Millionen Euro geboten, aber einen Finanzierungsrahmen von 960 Millionen gehabt habe, sei die Annahme, dass sie in einer zweiten Runde mehr bieten könnten, "logisch" gewesen, so Grasser.

"Völlig unglaubwürdige Geschichte"

Die Behauptung Ramprechts, wonach Grasser die Abwicklung der Buwog-Privatisierung an die Investmentbank Lehman Brothers vergeben habe, obwohl die Vergabekommission für den österreichischen Konkurrenten CA-IB gewesen sei, bezeichnete Grasser als "völlig unglaubwürdige Geschichte". Wenn der Immobilienmakler und damalige Buwog-Aufsichtsratspräsident Ernst Karl Plech - wie von Ramprecht behauptet - in aller letzte Minute gesagt hätte, der "Minister will Lehman", hätte Ramprecht das wohl hinterfragen müssen, so Grasser. Als "rechtschaffender Mensch" hätte Ramprecht bei ihm selbst oder bei seinem Kabinettschef hinterfragen müssen, ob die Aussage Plechs stimme. Da sei aber so ohnehin nie passiert, hielt Grasser an seiner Darstellung fest.

Außerdem habe Ramprecht tonnenweise Tonaufnahme gemacht, darauf sei aber kein einziger Hinweis auf Verfehlungen bei der Buwog-Privatisierung zu finden, sondern viel mehr Hinweise auf Verfehlungen von Ramprecht selbst, verwies Grasser neuerlich auf bereits bekannte Vorwürfe gegen Ramprecht.Bei der weiteren Befragung wurde Grasser mit einer bei Hausdurchsuchungen gefundenen Unterlage konfrontiert: Demnach hat Grasser weit häufiger als bisher bekannt mit dem damaligen Anwalt des mitbeschuldigten Walter Meischberger Kontakt gehabt. Anwalt Gerald Toifl - gegen den unterdessen selber ermittelt wird - hatte in einem detaillierten Leistungsverzeichnis über seine Tätigkeit bei 16 von 20 Tätigkeiten zur Buwog auch das Kürzel "KHG" angeführt - also "Besprechung" oder "Telefonat" und "Kontakt mit KHG".

Als FPÖ-Fraktionsführer Walter Rosenkranz konkret nachfragte, warum Grasser am 3. Dezember 2009 mit Toifl nach Zürich geflogen sei, um dort mit dem Vermögensverwalter Norbert Wicki eine Darstellung zu machen, berief sich Grasser auf sein Entschlagungsrecht. "Ich könnte mich selbst belasten". Außerdem habe er dazu schon im Strafverfahren ausgesagt.

Diese intensiven Kontakte mit Meischbergers Anwalt hatte Grasser genau in der Phase, nachdem Meischberger und Peter Hochegger im Herbst 2009 Selbstanzeige wegen der Buwog-Provision erhoben hatten. Laut dem bereits bekannten Meischberger-Tagebuch gab es im Oktober 2009 bei Toifl ein Treffen mit Grasser. Gegen Toifl wird unterdessen selber wegen Verdachts auf Beweismittelfälschung im Buwog-Verfahren ermittelt, er hat seine Anwaltslizenz und seine Tätigkeit als Steuerberater "ruhend gestellt".

"Kein konspiratives Interesse"

Der Ex-Minister sprach heute bei seiner Befragung zunächst von "ein bis zwei Treffen bei Toifl". Warum er damals den Anwalt von Meischberger überhaupt traf, obwohl er selber ja durch den - heute als Vertrauensperson anwesenden - Rechtsanwalt Manfred Ainedter vertreten war, argumentierte Grasser heute so, dass er sich damals nur informieren wollte, was da rund um Meischberger gelaufen sei. Die Staatsanwaltschaft habe ihm damals keine Akteneinsicht gewährt. Toifl selber habe ihn zu diesen Besprechungen eingeladen, damit er ihn über die Vergabe informiere, erklärte Grasser. Er habe sich von Toifl nicht beraten lassen, diesen auch nicht bezahlt. "Mein ausschließliches Interesse war zu erfahren, ob man mich tiefer hereinzieht oder nicht". Er habe "kein konspiratives Interesse" gehabt, beteuerte Grasser. Sein eigener Anwalt Ainedter nahm an diesen Treffen bei Toifl nicht teil, sagte er nach dem Ausschuss zur APA.

Meischberger hatte in seinem Tagebuch damals zu diesen Treffen bei Toifl etwa notiert, "Verträge sind zu 'finden' und abzustimmen", es gebe noch "Gefahrenpotenzial". Laut dem Grünen Peter Pilz wurde damals von den Beschuldigten versucht, sich durch Absprachen auf die Befragungen durch die Polizei einzustellen und bereits damit begonnen, Unterlagen zu vernichten.

Grasser wurde auch mit Unterlagen konfrontiert, in denen Notizen zu einem Buch von ihm enthalten sein sollen. Die demnach von Grasser verfassten Buchtitel-Vorschläge: "KHG - Ich überlebe die Jagd, KHG - Ihr bekommt mich nie, KHG - Die Vertreibung aus dem Paradies, KHG - Das Vollgasleben, KHG - Das Leben ist ein Krimi, KHG - der verfolgte Shooting-Star". In diesen Unterlagen, die offenbar bei Grassers Hausdurchsuchung beschlagnahmt wurden, werden grüne und rote Abgeordnete als "Angreifer" bezeichnet, Walter Meischberger hingegen als "Täter". Grasser sah in den Fragen zu seinen Notizen keinen Zusammenhang zum Beweisthema und ging daher nicht näher darauf ein. So wollte er sich nicht daran erinnern, wieso er Meischberger als "Täter" bezeichnet hat.

Penthouse und Konsortium

Auch die Miete für Grassers Penthouse in Wien kam im U-Ausschuss heute zur Sprache. Als ihm der Grüne Peter Pilz einen Mietvertrag vorhielt, der von 1.265,31 Euro Hauptmiete, plus einem Anteil an Betriebskosten und den Liftkosten sprach, korrigierte Grasser. Dieser Vertrag betreffe nicht seine Dachgeschoßwohnung, sondern eine Wohnung im selben Haus, die er als Büro nutze. Zur Miete für seine Dachgeschoßwohnung äußerte er sich nicht. Der "Kurier" berichtet in seiner heutigen Ausgabe von rund 4.000 Euro Monatsmiete für 390 Quadratmeter Wohnfläche und 260 Quadratmeter Terrassen, das sei laut einem Experten "marktüblich".

Die Debatte über Grassers Miete war aufgekommen, da die Vermieterin der Wohnung, die Wiener Städtische Versicherung, Mitglied im Österreich-Konsortium war, das die Buwog-Vergabe gewann. Für Pilz besteht in Grassers Wohnkosten ein Zusammenhang mit dem Buwog-Beweisthema, da auch die Finanzierung der Dachbodenrenovierung um mehr als 4 Millionen Euro nicht geklärt sei. "Grasser hat als Minister nicht so viel verdient, um mehr als 4 Millionen Euro in die Renovierung eines Dachbodens zu stecken", betonte der Grüne.

Grasser sagte heute erneut, dass er von Meischbergers Lobbying bei der Buwog-Privatisierung für die Immofinanz nichts gewusst habe. Erst vor seiner Selbstanzeige an die Finanz habe ihm Meischberger alles mitgeteilt. "Ich habe entsetzt reagiert, dass das alles hinter meinem Rücken stattgefunden hat, aber die Republik hat damit nichts zu tun gehabt", betonte Grasser.

"Akt der Unmenschlichkeit"

Immer wieder beteuerte Grasser, er habe auf das Vergabeverfahren keinen Einfluss genommen. Auch habe nicht er die zweite Bieterrunde angeordnet, sondern es sei ihm von Experten empfohlen worden. "Zwischen dem 4. und 7. Juni hat sich herauskristallisiert, dass es Finanzstaatssekretär Alfred Finz und mir empfohlen werden würde, dass es eine zweite Runde geben würde", formulierte Grasser. Allerdings sah er wenig später seine Rolle doch stärker: "Am Ende des Tages entscheidet der Finanzminister alles". Er sei heute froh über die Entscheidung, eine zweite Bieterrunde durchzuführen, denn diese habe der Republik fast 40 Millionen Euro Mehrertrag gebracht.

Nach seiner vierstündigen Befragung im Ausschuss stand Grasser auch den Medien ausführlich Rede und Antwort. Er kritisierte dabei das Vorgehen des Ausschusses als unfair und unobjektiv. Er bezeichnete die Befragung seines früheren Kabinettschefs Heinrich Traumüller, der nach dem Ausschuss ärztlich betreut werden musste, als "Akt der Unmenschlichkeit". Der U-Ausschuss würde verzweifelt nach einem Erfolg ringen. "Den wird man aber nicht kriegen", so Grasser. (APA, 9.5.2012)