Der bis zu neun Meter lange Hausen spielte früher eine größere Rolle: Die Illustration aus dem 15. Jahrhundert zeigt Kaiser Sigismund auf der Waag, einem Nebenfluss der Donau. Unterm Schiff sind zwei "husen" (Hausen) zu sehen.

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Die Fischvielfalt in der Donau nimmt seit Jahrhunderten gemächlich ab. Auch wenn sich hier im Vergleich zu anderen europäischen Flüssen noch eine beträchtliche Zahl an Fischarten tummelt. Grund für die Abnahme können sowohl natürliche als auch vom Menschen bestimmte Faktoren sein - doch während diesbezüglich an marinen Fischen ausgiebig geforscht wurde, weiß man über die Verhältnisse im Süßwasser erstaunlich wenig.

Ein Manko, das die Historikerin Gertrud Haidvogl und der Limnologe Mathias Jungwirth, beide vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku), derzeit in einem vom Wissenschaftsfonds FWF finanzierten Projekt in Zusammenarbeit mit anderen österreichischen sowie russischen Forschern beheben wollen.

Es handelt sich dabei um die erste umfassende Studie zur langfristigen Entwicklung von Fischgemeinschaften in Fließgewässern vom Mittelalter bis heute. Eines der wichtigsten - und schwierigsten - Ziele dabei ist es, eine Methodologie zu entwickeln, mit der sich historische Fischgemeinschaften und die damals jeweils herrschenden Einflussfaktoren rekonstruieren lassen.

Ein ganzes Jahr lang haben sich die Boku-Wissenschafter - die bei dem Projekt vom Ichthyoarchäologen Alfred Galik vom Institut für Anatomie der Veterinärmedizinischen Universität Wien und den Umwelthistorikern Verena Winiwarter und Martin Schmid von der Fakultät für interdisziplinäre Forschung und Fortbildung der Uni Klagenfurt unterstützt werden - ausschließlich damit befasst, alle möglichen Unterlagen zu sichten, aus denen sich Rückschlüsse auf die gesuchten Faktoren ziehen lassen. "Das ist eine endlos mühsame Kleinarbeit", erzählt Haidvogl, die darin auch die Ursache dafür sieht, dass das Thema bisher so stiefmütterlich behandelt wurde.

Fangregeln und Fischverkauf

Da der Zeitrahmen des Projekts bis ins Mittelalter zurückgeht, mussten die Historikerin und ihre Mitarbeiter tausende Seiten an Unterlagen auf oft sehr spezifische Einträge sichten, darunter Gesetze, Regeln für den Fang und Verkauf von Fischen, Akten verschiedener Innungen und Marktregister. Zusätzlich war eine Portion Spürsinn gefragt: So wurde etwa der Fang des bis zu neun Meter langen Hausen in der Donau in vielen alten Quellen ausdrücklich geregelt: "Bei Klosterneuburg etwa musste er dem Probst oder in Wien dem Hof angeboten werden", berichtet Haidvogl. "Im Lauf der Zeit aber verschwinden diese Regelungen - wir können also davon ausgehen, dass er keine große Rolle mehr gespielt hat, also deutlich seltener geworden ist", folgert die Historikerin.

Auch in den Aufzeichnungen der "Wiener Fischkäufler-Gilde" spielte der Hausen eine Rolle: Einnahmen aus seinem Verkauf kamen nämlich in eine Gemeinschaftskasse. Doch schon im 18. Jahrhundert stammten die meisten in Wien angebotenen Hausen aus Ungarn - in der Donau war er durch Überfischung bereits sehr selten geworden. "Wirklich ausgestorben ist er dann aber erst durch die Behinderung seiner Wanderungen, vor allem durch die Kraftwerke am Eisernen Tor zwischen Serbien und Rumänien", wie Jungwirth erklärt. Vom Aussterben bedroht ist übrigens auch der klassische "Steckerlfisch": Was da aufgespießt wird, sind nämlich erst seit zehn bis 30 Jahren Makrelen - bis dahin waren es Nasen, die jahrhundertelang in Massen aus der Donau gefischt wurden.

Um festzustellen, was verantwortlich ist für die Veränderungen, die in den vergangenen 500 Jahren in der Fischfauna vonstattengingen, werden in Österreich die Donau und Salzach betrachtet sowie in Russland die Neva in St. Petersburg und die Velikaya nahe Pskow. Der Norden Russlands stellt für viele Fischarten den Rand ihres Verbreitungsgebietes dar, was diese sehr anfällig für Klimaveränderungen macht. Die Wassertemperatur beeinflusst sowohl das Wachstum als auch die Fortpflanzungsrate von Fischen ebenso wie die Populationsdichte und ihren bevorzugten Lebensraum im Gewässer. Ein weiterer, fast noch wichtigerer Faktor für die Entwicklung der Artenzusammensetzung sind die Veränderungen im Geschiebehaushalt, also in der Menge des transportierten Materials von Fließgewässern.

Menschliche Eingriffe

Gleichzeitig werden Flüsse und die darin lebenden Tiere massiv davon beeinflusst, ob und wie viele Menschen an ihren Ufern wohnen. So unterscheiden sich die russischen Untersuchungsgebiete von den österreichischen insofern, als sie nur sehr langsam besiedelt wurden und daher der menschliche Einfluss auf ihre Lebensgemeinschaften lange Zeit gering war, während sowohl die Salzach als auch die Donau schon früh für Fischfang, Schifffahrt und Holztransport genutzt wurden.

Eine besondere Rolle spielen von jeher die Städte. Ebenfalls aus den Aufzeichnungen der Fischkäufler-Gilde geht hervor, dass bereits im 16. Jahrhundert ein guter Teil der in Wien angebotenen Fische nicht nur aus der ganzen österreichischen Donau, sondern unter anderem aus der Traun und der March, ab dem späten 17. Jahrhundert zunehmend auch aus Ungarn und aus Böhmen stammten, und zwar auch jene Arten, die auch in der Wiener Donau vorhanden waren. "Die Leute haben damals viel mehr Fisch konsumiert", erläutert Haidvogl, "weil an rund 140 Tagen im Jahr kein Fleisch gegessen werden durfte."

Alle diese Einflüsse und Eingriffe auseinanderzudividieren ist keine einfache Aufgabe. Die Boku-Forscher hoffen, damit Entwicklungsmuster aufzuzeigen - die auch künftige ökologische Maßnahmen unterstützen sollen. (Susanne Strnadl, DER STANDARD, 9.5.2012)