Stuart Staples von den Tindersticks beim Mondanheulen. Ein Dialog von Knödel zu Knödel, quasi. 

Foto: Robert Newald

Wien - Wie jeder gute Geschichtenerzähler beginnt Stuart Ashton Staples mit dem Anfang. Mit Bloods vom titellosen Debüt der Tindersticks eröffnete er am Montag einen von zwei ausverkauften Konzertabenden im Wiener Theater Akzent. Mit geschlossenen Augen und der charakteristischen Unlockerheit des Briten, die sich körpersprachlich durchaus charmant niederschlägt, fungierte dieser alte Song wie ein Schuhlöffel in das Universum der Tinder-sticks.

Dieses prägen Balladen sowie der geknödelte Gesang Staples', der für jeden Song den Vorhang zuzieht, um ihn im Dunkeln zu umsorgen. Dort, wo geschundene Seelen Schutz suchen und ihre Geschichten erzählen. Dort, wo die Mundwinkel so hängen wie Stuart Staples' Oberlippenbart. Eine, nun ja, Gesichtszierde, die nur trägt, wer nichts zu verlieren hat, im Plattenschrank Lee Hazlewood und im Herzen den Schmerz bunkert.

Die Tindersticks zählen im Balladenfach zu den größten aktiven Bands. Dieses Faktum unterstrichen sie heuer mit der Veröffentlichung des Albums The Some-thing Rain. Aus diesem neunten Studioalbum stammten in der Folge mehrere Höhepunkte dieses stimmigen Konzertabends. Allen voran das Stück This Fire of Autumn. Mit diesem raren Uptempo-Song zeigten sie, dass man selbst bei angezogener Geschwindigkeit noch glaubwürdig wimmern kann. Die Wah-Wah-Gitarre, ein dominanter Bass und eine gut geölte Orgel trugen dieses Stück live in den Tindersticks-Himmel.

Verdacht auf Größenwahn

Aufgetaucht war die Band zu Beginn der 1990er-Jahre, als sie vermeintlich größenwahnsinnig drei Doppelalben hintereinander veröffentlicht hatte, aber zumindest zwei davon rechtfertigten das große Format allemal. Bereits mit dem 1993 erschienenen Erstling steckten sie ihr Feld ab, setzten auf Alben wie Simple Pleasure lediglich Schwerpunkte - etwa auf Soul-Musik, die sich in einem üppigeren Einsatz von Tasteninstrumenten manifestierte.

Bei aller Herzensschwere besitzen Tindersticks-Songs eine Leichtigkeit, die von den sechs eher träge wirkenden Herrschaften nicht körperlich transportiert wird. Selten deutete Staples ein kleines Tänzchen an, Tinder-sticks-Musik ist eine ernste, eine konzentrierte Angelegenheit.

Ein Umstand, den das ergebene Publikum in einem Stück wie Chocolate würdigte, indem es trotz zum Applaus einladender Pause die Dramaturgie des Liedes respektierte und den länglichen Sprechvortrag bis zum Ende erduldete. Der Einsatz von Hörnern im neuen Album schlug sich live nieder, indem einer der sechs ein Bass-Saxofon mit knappen Atemstößen brummen ließ.

Das Theater Akzent bot als bestuhlter Austragungsort den perfekten Rahmen für diese ramponierte Anzugträgermusik. Denn wie jedes Tindersticks-Konzert hatte auch dieses seine Längen. Das ist okay, ist der Thematik dieses Liedguts geschuldet, also nur konsequent. Doch im Sitzen fremdem Herzschmerz zu folgen ist erträglicher, als sich dabei die Beine in den Bauch zu stehen. Nicht nur so betrachtet ein wunderbarer Abend. (Karl Fluch, DER STANDARD, 9.5.2012)