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Ist der Schönheitschirurg auch wirklich ein Profi? Die unabhängige Schweizer Initiative ACREDIS prüft Fachärzte anhand von mehr als 300 Kriterien auf Herz und Nieren.

Foto: REUTERS/Eric Gaillard

Immer häufiger erschüttern Presseberichte über misslungene oder gar tödlich verlaufende Schönheitsoperationen das Vertrauen in die Chirurgen. Bei Krankenversicherungen, Verbraucherschützern und Ärztekammern häufen sich Beschwerden über Behandlungsfehler.

Zugleich sind immer mehr Menschen mit ihrem Aussehen unzufrieden und versuchen, mit chirurgischer Hilfe ihrem Schönheitsideal näher zu kommen. Doch wie erkennen an einem plastisch-ästhetischen Eingriff Interessierte, bei welchem der ungezählten Anbieter sie in guten Händen sind?

Qualifikation bleibt im Dunkeln

Der Begriff "Schönheitschirurg" ist nicht geschützt. Jeder Arzt kann sich Schönheitschirurg nennen - unabhängig von seinem Fachgebiet und seiner Erfahrung. Mit aufwändigen Prospekten und Internetseiten werben Praxen und Institute in beeindruckenden Villen in bester Lage um ihre Kundschaft. 

Die Qualifikation der behandelnden Ärzte und die Qualität ihrer Arbeit bleiben dabei jedoch meist im Dunkeln, beklagt Klaus Müller, Chefarzt der Abteilung für Plastische und Ästhetische Chirurgie in der Asklepios Klinik Wandsbek: "Unabhängige, gesicherte Informationen sind Mangelware."

Transparenz und Qualität

Ein Ansatz zu mehr Transparenz und verlässlichen Daten kommt aus der Schweiz: Seit 2006 prüft die unabhängige Initiative ACREDIS Fachärzte anhand von mehr als 300 Kriterien.

Diese Prüfung gelte als europaweit strengste, erklärt der Begründer und Geschäftsführer der Initiative Stephan Haegeli: "Nur wer die Prüfung besteht und für die jeweils gewünschte Operation überdurchschnittlich hohe Fallzahlen sowie eine fortlaufend hohe Patientenzufriedenheit vorweisen kann, wird den Patienten auf www.acredis.com empfohlen." Indem die zertifizierten Fachärzte erstmalig und freiwillig einen umfassenden Einblick in ihre Arbeitsweise und Qualität gewähren, leisteten sie Pionierarbeit, so Haegeli.

Initiative in Hamburg

Auch die Hamburger Ärztekammer hat sich des Themas angenommen und erarbeitet derzeit weiter gehende Qualitätsstandards und -indikatoren für die Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie. "Es geht darum, die Einhaltung von Mindeststandards in der Handhabung von Operationen, Interventionen und Behandlungen zu sichern", sagt Annemarie Jungbluth, Leiterin der Fortbildungsakademie der Ärztekammer Hamburg.

Dieses Qualitätskonzept soll laut Jungbluth strukturelle Daten sowie die Sicherung von Prozessabläufen umfassen. Allerdings sind die Überlegungen dazu noch nicht abgeschlossen. Wünschenswert ist auch die Einbeziehung des Patienten in ein Feedbacksystem. Die Ergebnisqualität im Bereich der Schönheitschirurgie sei allerdings nur sehr schwer ermittelbar, da hier naturgemäß besonders subjektive Wertungen einfließen.

Positivliste

"Die Einbeziehung des Patienten erlaubt jedoch eine Rückmeldung zu Verfahrensstandards, die für eine qualitätsgesicherte Behandlung einzusetzen sind und zu denen sich die freiwillig teilnehmenden Praxen verpflichtet haben", so Jungbluth.

Teil des Konzepts zur Qualitätssicherung sind Basiskriterien wie die Fallzahl, die Versicherung, die Fachkompetenz, das Case-Management sowie der OP-Katalog, der regelmäßig vorgelegt werden muss.

So soll eine Positivliste entstehen, in der diejenigen Ärzte veröffentlicht werden, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Patienten können sich darüber ein Bild verschaffen, wer die Kriterien einhält. "Es ist uns wichtig, dass die Liste regelmäßig überprüft wird. Wir denken hierbei an einen Zeitraum von zwei Jahren", sagt Jungbluth.

Die Schönheitsoperation als der richtige Weg?

Ausschlaggebend für ein befriedigendes Operationsergebnis ist auch die Motivation der Patienten, sich einer Schönheitsoperation zu unterziehen.

Der Psychologe Michael Thiel erlebt nicht nur bei jüngeren Menschen, dass die Optik eine extrem große Rolle spielt: "Die Medien zeigen oft irreale Schönheitsideale, bei denen viele Menschen das Gefühl bekommen, dass sie nicht gut genug oder gar minderwertig sind, weil sie diesen vermeintlichen Schönheitsidealen nicht entsprechen. Besonders Jugendliche wollen auch so aussehen wie ihre Stars, weil sie sich dadurch erhoffen, einen besseren Job oder ihren Traumpartner zu bekommen." Es werde ihnen vorgegaukelt, dass heutzutage Schönheit einfach und schnell operierbar ist, berichtet Thiel: "Aber das ist weit entfernt von der Realität."

Schönheitsoperationen als Ausweg?

Der Wunsch, seinen eigenen Körper zu verändern, kann auch Symptom einer sogenannten Körperschemastörung sein. Bei dieser Krankheit nehmen die Betroffenen ihren eigenen Körper völlig anders wahr als ihr Umfeld. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Magersucht.

Es gibt aber noch zahlreiche andere Körperschemastörungen: "Bei der Dysmorphophobie ist diese gestörte Wahrnehmung meist auf ein bestimmtes Körperteil gerichtet, das die Patienten ablehnen und am liebsten loswerden möchten", soAglaja Stirn, Chefärztin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Asklepios Westklinikum Hamburg. Nicht selten suchten die Betroffenen verzweifelt nach einem Schönheitschirurgen, der ihnen diesen Wunsch erfüllt. Wirklich helfen könne hier aber nur eine spezielle Therapie und kein Skalpell. (red, derStandard.at, 8.5.2012)