Blick zurück im Frust: Renée Schroeder war eine der wenigen Frauen, die wirkliches ÖAW-Mitglied wurden. Nun verlor sie den Optimismus, dort "etwas verändern zu können".

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Die "Feierliche Sitzung" bildet den Höhepunkt im Arbeitsjahr der altehrwürdigen Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW): Vor Honoratioren aus Wissenschaft, Politik, Kultur und Wirtschaft und in Anwesenheit des Bundespräsidenten wird Bericht über die Tätigkeit der 1847 gegründeten ÖAW erstattet. Zudem erhalten beim heute stattfindenden Festakt 38 neue Mitglieder ihre Ernennungsdekrete.

Diesmal liegt allerdings ein Schatten über dem festlichen Ritual, das sich bis ins 21. Jahrhundert erhalten hat: Am Dienstag hat nämlich die Molekularbiologin Renée Schroeder ihre Mitgliedschaft in der Gelehrtengesellschaft zurückgelegt und das mit einem offenen Brief begründet - ein ziemlich einzigartiger Schritt in der 165-jährigen Geschichte der Gelehrtengesellschaft.

Die international renommierte Expertin für Ribonukleinsäure (RNA) war 2003 die erst zweite Frau, die als wirkliches Mitglied der " Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse" der Akademie aufgenommen wurde. Neun Jahre später reicht es ihr endgültig.

"Keine Exzellenzförderung"

"Meine Erfahrungen, die ich in den letzten Jahren bei der ÖAW gemacht habe, haben mich davon überzeugt, dass es der Gelehrtengesellschaft der ÖAW weder um die Förderung von Exzellenz noch um wissenschaftliche Erkenntnisse geht", heißt es in dem Schreiben. Und weiter: "Aus Solidarität mit jenen exzellenten WissenschafterInnen, denen es wegen ihres kulturellen Hintergrundes oder ihrer politischen Einstellung nicht möglich ist, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, lege ich meine Mitgliedschaft zurück."

Schroeder, die 2003 mit dem Wittgensteinpreis, Österreichs wichtigstem Wissenschaftspreis, ausgezeichnet wurde, stieß sich aber auch an ihrer Meinung nach nicht nachvollziehbaren Entscheidungen über die Ernennung neuer Mitglieder: "Es geht einfach nicht, dass man irgendwelche Quoten und Argumente heranzieht, um Leute zu wählen, die einfach nicht die besten sind."

Schroeder führt zudem ins Treffen, dass ein hoher Anteil an ÖAW-Mitgliedern auch Mitglied im Österreichischen Cartellverband (CV) seien. "Meines Wissens sind 61 Prozent der ÖAW-Mitglieder auch Mitglieder vom CV", so die Forscherin, die betonte, diese Zahlen aber nicht nachprüfen zu können.

Schroeder übt aber auch heftige Kritik an dem Umgang mit der Jungen Kurie der ÖAW, die erst vor fünf Jahren eingeführt wurde. "Es kann nicht sein, dass die Mitglieder der Jungen Kurie nicht wahlberechtigt sind, während unbegrenzt viele nicht mehr aktive Wissenschafter das Geschehen der ÖAW bestimmen."

Zwar gebe es "sehr viele tolle Leute in der ÖAW, die kämpfen und kämpfen". Die Stimmung beim vergangenen Wahltag sei aber "am Boden" gewesen. Viele hätten sie zwar zum Bleiben bewegen wollen, doch sie habe den Optimismus verloren, von innen etwas verändern zu können, so Schroeder, die sich vorstellen kann, dass andere ÖAW-Mitglieder nun ebenfalls über ihre Mitgliedschaft nachdenken.

Ausdruck des Bedauerns

Das Präsidium der ÖAW reagierte auf den Brief Schroeders mit einer knappen Stellungnahme. Man nehme ihren Austritt mit Bedauern zur Kenntnis. Zugleich wird darauf verwiesen, dass "höchste wissenschaftliche Qualität das alleinige Kriterium" bei der Wahl sei. Zudem beschäftige man sich, entgegen Schroeders Kritik, mit aktuellen gesellschaftlichen Fragestellungen. (APA/tasch, DER STANDARD, 9.5.2012)