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Netanyahu muss künftig mit Kadima-Chef Shaul Mofaz zusammenarbeiten.

Foto: APA/EPA/Weiken

Jerusalem - In Israel gibt es wider Erwarten doch keine vorgezogenen Neuwahlen. Die liberale Oppositionspartei Kadima schloss sich überraschend der Koalition unter Ministerpräsident Benjamin Netanyahu an, um eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk am Dienstag berichtete.

Die Wahlen sollen nun doch erst wie ursprünglich vorgesehen im Oktober 2013 stattfinden. Wegen Streits in der bisherigen Koalition um die Reform des Militärdienstes hatte Netanyahu Neuwahlen am 4. September eingeleitet.

Netanyahus Koalition hatte sich in der Frage zerstritten, ob auch orthodoxe Juden künftig zum Militärdienst müssen. Insbesondere die säkulare Partei Unser Haus Israel von Außenminister Avigdor Lieberman lehnt die bisherige Ausnahmeregelung für orthodoxe Juden ab. Auch Netanyahu befürwortet deren Abschaffung, traf damit aber bei seinem anderen Koalitionspartner, der ultraorthodoxen Shas-Partei, auf Widerstand.

Kadima stärkste Kraft

Die Kadima ist derzeit mit 28 Abgeordneten stärkste Kraft im Parlament. Umfragen zufolge würde sie bei Neuwahlen nur noch mit zehn Mitgliedern in der Knesset vertreten sein. Netanyahu und Kadima-Chef Shaul Mofaz verhandelten unter strikter Geheimhaltung über ihre Annäherung, während die Knesset am Montag das Gesetz zur Auflösung des Parlaments für Neuwahlen bereits in erster Lesung beschloss. Mofas soll in Netanyahus Regierung laut israelischem Rundfunk nun stellvertretender Regierungschef und Minister ohne Geschäftsbereich werden.

Inhaltliche Details der Koalitionsvereinbarung müssten aber noch abschließend ausgearbeitet werden, hieß es im Rundfunk. Es gebe aber eine Absprache, dass Kadima Netanyahu im Gegenzug für Änderungen an dem Gesetz zur Militärreform unterstützt. Kadima-Mitglieder sollen Schlüsselpositionen in den Knesset-Ausschüssen für Außenpolitik, Verteidigung und Wirtschaft bekommen. Die Vereinbarung beinhaltet den Angaben zufolge zudem die Verpflichtung, den Friedensprozess mit den Palästinensern wieder anzustoßen. Das Parlament soll sich am Dienstag mit der neuen Regierung befassen.

Gemischte Reaktionen

Die Reaktionen auf den politischen Überraschungscoup waren gemischt: Der israelische Präsident Shimon Peres begrüßte am Dienstag die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit. Laut israelischen Medienberichten sagte Peres  Ministerpräsident Netanyahu während eines Telefongesprächs aus Kanada, die Einheit komme dem israelischen Volk zugute.

Der bekannte israelische Fernsehmoderator Jair Lapid, der bei den kommenden Wahlen antreten will, sprach jedoch nach Medienberichten von einem "widerlichen Pakt". Shelly Jachimowich, Vorsitzende der oppositionellen Arbeitspartei, soll Netanyahus Vorgehen als "lächerlichsten Zickzackkurs in der politischen Geschichte Israels" beschrieben haben.

94 Mandate in der Knesset

Die bisherige Regierungskoalition Netanyahus kommt mit den zusätzlichen 28 Abgeordneten der Kadima auf 94 Mandate in der Knesset, die 120 Mitglieder hat. Mit den Kadima-Abgeordneten in der Regierung muss Netanyahu jetzt weniger Rücksicht auf Forderungen kleinerer Koalitionsparteien nehmen. Ein Ausscheren von Koalitionspartnern hätte die Regierung Netanyahus zu Fall bringen können. (APA, 8.5.2012)