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Wachablöse: Nach vier Jahren heißt der Präsident wieder Wladimir Putin (li.), Dmitri Medwedew konnte wieder einpacken.

Foto: APA/EPA/Shtukina

Hunderte Oppositionelle wurden vor und während der feierlichen Amtseinführung festgenommen. Der Kreml sprach von Provokationen.

 

Die Zeremonie ist bis ins Detail geplant: Alte Fotos wurden studiert und eilig noch über 600 Fliederbüsche gepflanzt, damit der Kreml zu Wladimir Putins Amtseinführung das Flair aufweist wie zur Thronbesteigung der Zaren. Einzig auf die Übernahme des goldenen Zepters verzichtet Putin.

Rund 3000 Gäste, Regierungsmitglieder, Duma-Abgeordnete und ausländische Diplomaten, aber auch persönliche Freunde Putins wie Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi oder Deutschlands Exkanzler Gerhard Schröder, sind geladen.

Gleich sechs TV-Kanäle zeigen, wie der Konvoi durch menschenleere Straßen Richtung Kreml fährt und Putin auf dem Roten Teppich in den Andrejew-Saal schreitet. Sie übertragen Medwedews Abschiedsrede, in der er das Streben Russlands nach Freiheit betont und Putins Versprechen, das Wohl der Bürger als höchstes Gut zu verteidigen.

Doch es gibt auch andere Bilder: Sie zeigen, wie Polizeisondereinheiten zur gleichen Zeit Demonstranten auf der Bummelmeile Twerskaja bedrängen, wie sie in ein Café eindringen und Besucher dort abführen. Rund 120 Personen, darunter auch Journalisten, werden zeitweise wegen des Verdachts auf Unruhestiftung festgenommen.

Einen Tag zuvor, beim sogenannten "Marsch der Millionen", war es noch weitaus gewalttätiger zugegangen: Bei Auseinandersetzungen zwischen Opposition und Polizei wurden Dutzende Demonstranten verletzt, auch rund 20 Polizeibeamte landeten im Krankenhaus. Die Polizei nahm eigenen Angaben nach 456 Personen fest, die Opposition sprach von rund 650 Festnahmen. Unter den Festgenommenen waren auch die Oppositionsführer Alexej Nawalny, Boris Nemzow und Sergej Udalzow.

Die Gewaltbereitschaft, die beide Seiten beim "Marsch der Millionen" demonstrierten, ist ein Alarmsignal für die wachsende Spannung in der Gesellschaft. Augenzeugen berichteten sowohl von Steine- und Molotow-Cocktail-Werfern aufseiten der Opposition als auch von einem überharten Vorgehen der Polizeikräfte, die mit Schlagstöcken brutal auf die Demonstranten einschlugen.

Der Kreml erklärte bereits die Opposition zum Schuldigen für die Gewalt. Es handle sich um gezielte Provokation, "um Bilder für den Westen" zu provozieren, erklärte Innenminister Raschid Nurgalijew. Putins Sprecher Dmitri Peskow nannte die Demonstranten eine "Randgruppe", die die Stimmung aufheizen wolle.

"Die Ereignisse auf dem Bolotnaja-Platz werden leider zur Radikalisierung eines Teils der Opposition führen. Schuld daran sind beide Seiten", mahnt hingegen Exfinanzminister Alexej Kudrin. In der Tat deutet viel auf ein Ende des Dialogs zwischen Obrigkeit und Opposition hin. Der Kreml, erholt vom Wahlschreck im Dezember, konterkariert seine eigenen Reformversprechen, unter anderem mit der eiligen Neuernennung von Gouverneuren, ehe diese gewählt werden können.

Die Opposition, enttäuscht von der Hinhaltetaktik des Kreml, setzt auf offene Konfrontation. Es ist ein gefährlicher Weg für beide Seiten - und für Russland. (André Ballin aus Moskau /DER STANDARD, 8.5.2012)