Während Paul Krugman in der "New York Times" sich nachgerade diebisch über die "Rebellion der Europäer" freut, die "es doch tatsächlich gewagt haben, einer gescheiterten Wirtschaftspolitik eine Absage zu erteilen", erklärt der Schriftsteller Rosecrans Baldwin im selben Blatt, warum Amerikaner und Franzosen Nicolas Sarkozy mehr vermissen werden, als selbst Letztere das im Moment wahrhaben wollen:

Ungeachtet seiner Flegelhaftigkeit und oft peinlichen Kommentare transformierte er die Haltung der Franzosen zu ihrem Präsidenten wie auch jene Amerikas zu den Franzosen. Frankreichs Führer regieren von einem Palast aus und setzen sich traditionell auf einer Wolke zur Ruhe. Sarkozys Vorgänger schweben noch immer über dem Land, körperlos und unangreifbar. Sarkozys Regierungsstil hätte unterschiedlicher nicht sein können. Da saß kein entrückter Monarch auf dem Thron, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit irdischen Wünschen und Vorurteilen. Die Franzosen wollen ihre Präsidenten gern väterlich. Bei Sarkozy war wohl einfach zu viel Haut im Spiel: siehe die Fotos des Präsidenten beim Sonnenbaden oder in Joggingshose auf den Stufen des Palasts.

Aber seine Fehler machten ihn auch im wahrsten Sinn "angreifbar". Er war ungestüm, jugendlich und offen - und so was von eitel! Bei Fototerminen mit seiner größeren Frau stellte er sich oft auf die nächsthöhere Stufe, manchmal trug er auch hohe Absätze. Selbst in der TV-Schlussdebatte war er emotional und hüpfte und fuchtelte - drei Stunden lang, teils Boxer, teils Teenager, ganz Mensch. Dagegen sein Herausforderer: Schulterhaltung, als hätte er ein Lineal verschluckt, ruhig, unbewegt. Nur gelegentlich wackelte er wie die Spitze eines Caramel-Puddings.

Französische Politiker sind aus dem gleichen elitären Kaderholz geschnitzt, nur Sarkozy tanzte aus der Reihe. Mr. Hollande, "Monsieur Normal", ist so gesehen die Rückkehr zum Durchschnitt. Er wird Frankreich so verkörpern, wie es außerhalb Frankreichs niemand sehen will: unnahbar, abgehoben, langweilig. Tatsächlich war Sarkozy nie das, was für wir üblicherweise für französisch halten: Gourmand, Akademiker, Streber. Er liebte Amerika und genierte sich nicht, das auch offen zu sagen. Und wir mochten ihn. Fünf Jahre lang hatten wir einen Mann in Europa, den wir selbst gewählt hätten. Jetzt ist er weg ... (Rosecrans Baldwin, DER STANDARD, 8.5.2012)