Es ist das zehnte und letzte Colloquium der Reihe "Leading at the Edge - Führung neu denken", und es widmet sich dem Thema des achtsamen Führens. Kai Romhardt, Betriebswirt und Gründer des Netzwerks "Achtsame Wirtschaft", wird am 10. Mai im Rahmen des Executive Club des Postgraduate Center der Universität Wien vortragen.

"Achtsamkeit" und "Wirtschaft" könnten als Gegensatzpaar für viele Menschen nicht unterschiedlicher sein. Die Auflösung dieses vermeintlichen Widerspruchs erklärt sich aus Romhardts persönlicher, respektive beruflicher Entwicklung. Erste Parallelen zur Verbreitung der Lehre über das Leben des Buddha werden erahnbar.

Nach dem Managementstudium in St. Gallen promovierte Romhardt an der Uni Genf zum Thema Wissensmanagement, "das war das erste Feld, in dem ich geforscht und publiziert habe", sagt er. Vor rund 13 Jahren aber kam es zu einer Sinnkrise. "Es war die Art und Weise, wie Wirtschaft funktioniert, wie Organisationen gestaltet sind, die meine Glücksversprechen, die ich mir davon erhofft hatte, allesamt an die Wand fahren ließen", sagt Romhardt heute. Mehr durch Zufall ging er in ein zweiwöchiges Retreat, meditierte im Village de Pruniers. Insgesamt habe er zwei Jahre dort verbracht, habe seine Zelte in Deutschland abgebrochen und war dann einfach mal weg - auf Sinnsuche.

Danach hat Romhardt das Kloster verlassen, eine Familie gegründet und war, wie er sagt, "wieder voll in der Welt und nicht mehr in einem geschützten Rahmen". Erneut war er mit basalen wirtschaftlichen Fragen beschäftigt - "wie möchte ich arbeiten, was und wo - weil ich das nicht mehr in den alten Strukturen wollte". Über diesen Weg kam es zur Entstehung des Netzwerks "Achtsame Wirtschaft". Seine Mitglieder stellen Fragen, geben Anleitungen für mehr Achtsamkeit - im Kleinen beginnend, sich fortsetzend im Großen, etwa in Organisationen. Es sei ein Weg der kleinen Schritte. Und es dürfen gängige Systeme infrage gestellt werden. " Die Form, wie wir heute wirtschaften, ist nur eine Form - das muss ja nicht so sein. Es gibt andere Möglichkeiten, zu kommunizieren, zu agieren, zu konsumieren und auch zu führen", sagt Romhardt.

Vier zentrale Fragen

Beim Arbeiten könne man sich vier Fragen stellen: 1.) Was ist Arbeit für mich? Romhardt: "Das kann sein: hart, ernst, der gesamte Selbstwert kann da dran hängen etc.". 2.) Wie oder in welchem Geisteszustand arbeite ich? - das spiegle den "Duft der Arbeit" wider, ob aggressiv oder entspannt. 3.) Wie viel arbeite ich oder wie viel Arbeit ist für mich normal? Bei einem seiner Vorträge zum Thema Arbeitsethos stellte sich unter den Zuhörern heraus, dass zwischen 60 und 70 Wochenarbeitsstunden dort als normal empfunden wurden. Und an dieser Stelle müsse man sich die Frage stellen, sagt Romhardt, ob dieses Maß von Tarifverträgen beeinflusst ist oder tatsächlich von der Freude an der Arbeit etc. Und: 4.) Warum arbeite ich, und inwiefern leitet mich Ruhm, Geld oder Macht? " Wenn man sich die tiefste Motivation ansieht, dann kann man - in allem, was man tut - auch einen sicheren Weg zum Glück gehen", so Romhardt.

Dass dies nicht jedermanns Ansatz ist, sei klar. Man kann ein kleines Tor öffnen, eine Einladung aussprechen, tiefer zuzuhören. Es gehe ganz sicher auch ohne Burn-out, ohne Stress, mit mehr Freude. Es gibt Führungsstile, die für normal gehalten werden, sich aber zunehmend dysfunktional verhalten. Die Menschen merken, dass sie daran verbrennen, sich eigentlich eine andere Führung wünschen. Sonntagsreden à la "wir müssen eine lernende Organisation werden, offen sein etc.", von denen hält Romhardt wenig. Bei sich beginnen und dann bei den anderen fortsetzen. Schließlich, sagt Romhardt, erschafft der Geist unsere Welt, und das heißt, er erschafft auch die Wirtschaft. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, 5./6.5.2012)