Das österreichische Forschungsprojekt "Elementar" an der Universität Innsbruck hat über fast drei Jahre hinweg die Situation männlicher Kindergartenpädagogen und die Persönlichkeiten dieser (wenigen!) Männer umfassend untersucht. Die Ergebnisse sind nun unter dem Titel "Elementar - Männer in der pädagogischen Arbeit" im Verlag Barbara Budrich erschienen.
Warum dieser geschlechtsuntypische Beruf?
Ziel der Studie war es herauszufinden, wie die Lebensläufe, die Familienbeziehungen, die Berufssituationen dieser Männer, die einen geschlechtsuntypischen Beruf ergreifen, beschaffen sind. In Österreich sind übrigens nur etwa ein Prozent aller Beschäftigten im Kindergarten Männer, genauer: 133 regulär ausgebildete und rund 550 insgesamt (mit Horterziehern, Helfern, Assistenten), im Vergleich dazu sind es mehr als 34.000 Frauen.
Neben einem umfangreichen Überblick über den internationalen Forschungsstand, der Österreich als sehr rückschrittlich ausweist, wurden sowohl SchülerInnen der Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik (BAKIP) als auch in der Praxis tätige Pädagogen über ihre Kindheitsgeschichte, ihre Familienbeziehungen, Berufswahlmotive, ihre Arbeitszufriedenheit usw. interviewt und die biografischen Hintergründe ihrer Entwicklung mittels psychoanalytischer Methoden untersucht.
Parallel dazu gab es jeweils weibliche Kontrollgruppen, um etwaige Artefakte "typisch männlicher" Eigenarten auszuschließen, aber auch, um die Sicht der Frauen auf ihre männlichen Kollegen zu erheben.
Kein Vater-Vorbild, aber "wegweisende" Mütter
Die Ergebnisse zeigen, dass männliche Pädagogen nicht - wie oft angenommen - selbst einen besonders zugewandten Vater erlebt hatten: Die Väter der Befragten waren ähnlich "blass", wie wir das aus vielen Familien in unserer Kultur kennen. Dagegen fanden sich bei den meisten auffallend starke, teilweise überdominante Mütter, "Wegweiserinnen", die den Söhnen quasi "erlaubten", auch eine andere als eine typische männliche Berufsentwicklung anzustreben. Im Hintergrund aber fand sich doch bei vielen eine wichtige männliche Bezugsperson (Lehrer, Jugendleiter, Großvater u. a.), die den Umgang mit Kindern interessant erscheinen ließ.
Hohe Berufszufriedenheit, unterschiedliche Rollen
Auffallend ist die hohe berufliche Zufriedenheit: "Die schönste Arbeit, die man sich vorstellen kann", äußerte ein 45 Jahre alter Pädagoge. "Man bekommt irrsinnig viel Energie von den Kindern zurück", meinte ein anderer, 28 Jahre alt. Auch die Teamsituation wird dort, wo ein Mann tätig ist, von den Frauen als positiv verändert beschrieben. Widersprüchlich sind die Aussagen der Befragten zur Frage, inwiefern sich männliche Pädagogen von ihren weiblichen Kolleginnen unterscheiden. Einerseits machen im Alltag Frauen und Männer dasselbe und erwarten das auch voneinander. Andererseits werden Männern oft Hausmeister- und handwerkliche Tätigkeiten zugewiesen und sie für typisch "männliche" Aktivitäten wie Fußball und "Raufen und Toben" eingeteilt. Während manche Männer derartige Erwartungen selbstverständlich erfüllen, äußern sich andere durchaus kritisch über diese stereotypen Klischees. Dies verweist auch auf die Notwendigkeit einer geschlechtssensiblen Ausbildung aller PädagogInnen.
Ausbildungseinstieg zu früh - Aufwertung der Elementarpädagogik nötig
Männer sind beim Berufseinstieg im Kindergarten durchschnittlich älter als Frauen, meistens als Quereinsteiger in alternative Ausbildungen (Kollegs). Der Einstieg mit 14 oder 15 Jahren ist speziell für geschlechtsuntypische Ausbildungen extrem ungünstig, sind doch etliche Burschen in diesem Alter der Ansicht, dass Kindergärtner "keine richtigen Männer" oder gar "Perverse" seien, wie die durchgeführte Teilstudie an Hauptschülern und Gymnasiasten ergab. Dies zeigt, dass die Bemühungen, die Elementarpädagogik-Ausbildung auf Hochschulniveau zu heben, auch vom Alter der Interessenten her überfällig sind. (Josef Christian Aigner, derStandard.at, 7.5.2012)