Wien - Dass Mensch und Hefe einander evolutionär gesehen weit näher stehen als bisher gedacht, zeigt eine Studie von Wissenschaftern des Instituts für Molekulare Pathologie (IMP), die in der Juni-Ausgabe der Zeitschrift "Nature Cell Biology" erscheint. Das Team rund um Gruppenleiter Stefan Westermann entdeckte einen bisher fehlenden "evolutionären Link" und eröffnet damit einen detaillierten Einblick in den Aufbau und die Funktion dieser Bestandteile der Zellteilungsmaschinerie, heißt es in einer Aussendung des IMP.

Hintergrund

Jede neue Zelle eines Organismus kann nur aus einer bereits existierenden Zelle, also durch Teilung, entstehen. Bei diesem Prozess, der in allen höheren Lebewesen weitgehend denselben Gesetzmäßigkeiten unterliegt, wird die Erbinformation zuerst exakt kopiert und anschließend weitergegeben. Die Zelle ist dabei mit einer logistischen Herausforderung konfrontiert - zwei vollkommen intakte Chromosomensätze müssen auf die jeweils gegenüberliegende Seite des Zellkerns transportiert werden, um dann nach der Zellteilung die "gesunde" Erbgutausstattung der beiden entstandenen Zellen zu bilden.

Der Spindelapparat fungiert dabei als eine Art molekularer Motor, der alle Chromosomenbewegungen steuert. Ein komplexes Proteinnetzwerk (Kinetochor) bildet das Bindeglied zwischen der DNA und der Spindel. Entwicklungsgeschichtlich haben sich die Proteine dieses Netzwerks kaum verändert. Die Verwandtschaft jener Bestandteile von Hefe- und menschlichen Zellen aber, welche die eigentliche Bindung zwischen den Chromosomen und dem Kinetochor herstellen, war bisher nicht nicht geklärt. Ihr Aufbau schien jeweils viel zu unterschiedlich zu sein.

Die Vorgangsweise

"Wir suchten nach speziellen Motiven, die den Proteinen ihre Gestalt und Funktion verleihen", erklärte Westermann die Herangehensweise der Wiener Wissenschafter; "Motiv" steht hier für ein Muster in Proteinstrukturen. "Auf diese Art konnten wir, gemeinsam mit unserem Bioinformatiker Alexander Schleiffer, gleich mehrere neue DNA-bindende Moleküle identifizieren und sie dem jeweiligen humanen Pendant zuordnen."

Anschließende Experimente zeigten, dass nicht nur die Struktur, sondern auch analoge Funktionen im Verlauf der Evolution erhalten geblieben sind. Eines der neu klassifizierten Proteine, Cnn1, hat sich im Laufe der Studie als besonders interessant herausgestellt. Es bindet direkt an das Kinetochormolekül Ndc80, welches den Kontakt mit dem Spindelapparat gewährleistet. Es spielt eine unterstützende Rolle, wenn die Chromosomen bei der Zellteilung auseinandergezogen werden. Wahrscheinlich ist das ein Sicherheitsmechanismus.

Die Genauigkeit der Aufteilung intakter Chromosomensätze bei der Zellteilung ist enorm. Experimente haben ergeben, dass es statistisch nur bei einer von 100.000 Zellteilungen zu einem Fehler kommt. Diese Exaktheit des Mechanismus ist für höhere Lebewesen entscheidend: Viele Krebserkrankungen beruhen auf fehlerhafter Aufteilung von Chromosomen im Rahmen von Zellteilungsmechanismen. (APA/red, derStandard.at, 6.5.2012)