Helmut Brandstätter, Chefredakteur des "Kurier", diskutierte über Qualitätsjournalismus.

Foto: STANDARD/Hendrich

Medien wandeln auf den Spuren der Politik. So lautet der Befund von Wolfram Weimer, Gründungsherausgeber des deutschen Polit-Magazins "Cicero". Dass das nicht positiv gemeint ist, ist klar. Nicht die Inhalte, sondern die Hülle dominierten die Berichterstattung, kritisiert er. Die Folge sei ein massiver Glaubwürdigkeitsverlust. Statt für Diskurs und Meinung zu sorgen, würden sich die meisten nur noch in der Mitte positionieren. "Nicht anecken" werde zur Devise, sagte Weimer am Freitag in seiner Keynote am "Tag des Qualitätsjournalismus", der vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) veranstaltet wird.

Ökonomische Zwänge

So schlecht sei es um die Lage des Qualitätsjournalismus nicht bestellt, kontert Alexandra Föderl-Schmid, Chefredakteurin des STANDARD, bei der anschließenden Podiumsdiskussion. Die Phase um die Wirtschaftskrise 2008 sei für den STANDARD ein schwieriges Jahr gewesen. "Wir haben uns aber antizyklisch verhalten", so Föderl-Schmid: "Korrespondenten wurden nicht abgebaut." Sie räumt aber ein: "Ökonomische Zwänge sind gewachsen." Der Werbekuchen wird kleiner. Qualitätsjournalismus selbst fuße auf verschiedenen Kriterien, etwa der Trennung von Anzeigen und redaktionellen Inhalten. Ein Bereich, bei dem sie in Österreichs Medienlandschaft noch Handlungsbedarf konstatiert. Es sei Aufgabe von Chefredaktionen, Wünsche abzublocken: "Ich weiß nicht einmal, wie viel ein Inserat kostet."

Probleme ortet sie auch beim Thema Finanzberichterstattung, wo Interessenskonflikte vermieden gehören. Journalisten sollten etwa nicht über Banken oder Versicherungen berichten, von denen sie Aktien halten. "Über diese Unternehmen dürfen sie nicht schreiben." Föderl-Schmid plädiert für mehr Transparenz. Man könne das nicht auf der einen Seite von Politikern einmahnen und auf der anderen Seite verschließen sich Medien davor. Ein weiterer Punkt sei das Thema Einladungen zu Veranstaltungen oder Pressereisen. "Wo ist hier die Grenze?" In Deutschland hat sich zum Beispiel Gruner+Jahr ein Limit auferlegt, das bei 40 Euro liegt. Ähnliche Schranken wünscht sie sich für Österreich.

Der Wahrheit verpflichtet

"Die Wahrheit muss man schreiben", sagt Helmut Brandstätter, Chefredakteur des "Kurier": "Ich wünsche allen, so unabhängig zu sein wie wir." Brandstätter betonte die redaktionelle Autonomie seiner Zeitung. Auf Eigentümerinteressen müsse die Redaktion keine Rücksicht nehmen, so Brandstätter auf die Frage, ob Ex-Raiffeisen-Boss Christian Konrad die Blattlinie beim "Kurier" diktierte. Es liege im Interesse von Raiffeisen, Qualität zu verbreiten. Der Garant dafür sei redaktionelle Unabhängigkeit.

"Das Wahrheitsmonopol liegt nicht bei der Macht", meint auch Christian Rainer, der als Herausgeber und Chefredakteur des "Profil" ebenfalls Raiffeisen an Bord hat. Über Inserate habe es nie Diskussionen gegeben. Mit Christian Konrad habe er stets nur "offene, inhaltliche Auseinandersetzungen" geführt, sagte Rainer, der später vorzeitig und im Gleichschritt mit Helmut Brandstätter das Podium verlassen musste - um zu Christian Konrad zu eilen. Der jahrelange Raiffeisen-Chef zelebrierte seinen Rückzug von der Spitze des Konzerns mit einem Fest. Anwesenheit wohl erwünscht.

Kein Geld für Reportagen

"Der ökonomische Druck gefährdet die journalistische Qualität", klagt Matthias Karmasin, Leiter des Instituts für Medien- und Kommunikationswissenschaft in Klagenfurt. Das straffe finanzielle Korsett spiele eine viel größere Rolle als politische oder inhaltliche Einflussnahme auf Medien, berichtet Karmasin von einer internationalen Studie über den Status Quo von Medienhäusern. "Wo ist etwa die Reportage geblieben?" fragt Karmasin, um gleich die Antwort zu geben: "Es fehlt am Geld." Verlage könnten sich wochenlang recherchierende Redakteure nicht mehr leisten. Die Presseförderung, etwa, werde reduziert statt erhöht. Ein Instrument für Medienvielfalt, das viel stärker mit qualitativen Kriterien verknüpft gehöre.

Als Qualitätszeitung in der Nische definieren sich auch die "Vorarlberger Nachrichten". "Wir wollen nicht von Schwarzach aus die internationale Politik erklären", sagt Christian Ortner, Chefredakteur des Blatts. Mit Zeitungen wie STANDARD oder Presse könne man nicht konkurrieren, dieser Anspruch werde ohnehin nicht verfolgt. Den "Erfolg in der Nische" bringe die Spezialisierung auf regionale Inhalte.

In Ausbildung investieren

Mehr Qualität durch bessere Ausbildung von Journalisten wünscht sich Michael Lang, Chefredakteur der APA. "Wir haben zu wenige Mittel dafür", kritisiert er. Mit ökonomischen Zwängen seien auch Nachrichtenagenturen konfrontiert. "In den vergangenen drei Jahren haben wir 65 Redakteure angestellt." Nicht ganz freiwillig, denn freie oder pauschalierte Mitarbeiterverträge mussten aufgrund des Drucks der Gebietskrankenkasse in Angestelltenverhältnisse umgewandelt werden. Wie kompensiert man solche Mehrausgaben? "Andere Geschäftszweige wurden aufgemacht, um die Redaktion zu finanzieren."

Ein zunehmender Druck auf Redaktionen komme auf postalischem Wege, moniert STANDARD-Chefredakteurin Föderl-Schmid. Nämlich Briefe von Anwälten. Solche Einschüchterungsversuche seien der Nebeneffekt von Qualitätsjournalismus und der Aufdeckung von Skandalen. Es gehe zwar nicht immer gleich um Klagen, man müsse sich aber damit auseinandersetzen. "Das bindet Ressourcen, das kostet Geld." Als Beispiel nennt sich die Berichterstattung um die Hypo Alpe Adria.

Eine Entwicklung, die auch Christian Rainer vom "profil" bestätigt. Alleine Meinl habe zwölf bis 15 Millionen Euro in die Verfahren gegen Medien investiert. Eine Summe, die stimmen dürfte, meint Rainer. "profil" habe darüber berichtet und wurde dafür noch nicht geklagt.

Hoffnung Presseförderung

Für Herbst hat die Regierung die "Presseförderung neu" avisiert. Digitale Medien sollen einbezogen werden. Für den "Kurier" kann es nicht schnell genug gehen. "Wir Printmedien sind alle auch elektronische Medien geworden", sagt Brandstätter, der beim Volumen der Förderung Druck auf die Regierung ausüben möchte. Vor allem in Hinblick auf das Forcieren von Qualität. "Dreck verkauft sich nicht", so Brandstätter in Richtung "Österreich". Die Konsequenz: es müsse gratis verteilt werden. (Oliver Mark, derStandard.at, 4.5.2012)