Wien - Mehr als die Hälfte der ausländischen Doktoranden, die in Wien promovieren, schließen in den Ingenieur- und Naturwissenschaften ab. Gerade in diesem, von der Politik im Rahmen der MINT-Strategie forcierten Bereich, sei Wien aber eher ein Durchgangspunkt in der wissenschaftlichen Karriere ("MINT" steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Das ist ein Ergebnis der Donnerstag Abend präsentierten Studie "Wiener Karrieren".

Es zeige sich, dass viele Doktoranden aus ökonomisch und wissenschaftlich "schwächeren" Ländern kommen, um dann in "stärkere" Zielländer zu gehen, wie Studienleiterin Susanne Meyer von Joanneum Research erklärte. Ziel der Untersuchung war es zu erheben, wie mobil in Wien arbeitende Wissenschafter sind. Dazu analysierten die Forscher im Auftrag des Uni-Beauftragten der Stadt, Alexander van der Bellen, die Lebensläufe von Post-Doktoranden und Universitätsprofessoren. Insgesamt stieg der Anteil internationaler Wissenschafter in den vergangen Jahren zwar kontinuierlich, diese Entwicklung werde aber vor allem von deutschen Staatsbürgern getragen. Werden diese nicht berücksichtigt, stagniere der Anteil, heißt es in der Studie.

"Germanisierung"

Van der Bellen zeigte sich davon "überrascht", dass die Internationalisierung des Forschungsstandortes vor allem eine "Germanisierung" sei. So steige zwar die internationale Quote, die Diversität jedoch nicht unbedingt. Auch die hohe Rate an ausländischen Absolventen im "teuren" MINT-Bereich und die niedrigen Bleiberaten kämen für ihn etwas überraschend. Wien sei ein "Drehkreuz" und es sei positiv, dass die Stadt vor allem auf junge Menschen aus Mittel- und Osteuropa große Anziehungskraft ausübe, man sollte sich aber genau ansehen, "was für ein Drehkreuz das eigentlich ist", so Van der Bellen. Es stelle sich die Frage, ob die Jungforscher die Wien nach der Promotion verlassen, auch irgendwann wieder zurück kommen.

Andreas Reinstaller vom Wirtschaftsforschungsinstitut (WIFO) gab zu bedenken, dass sich punkto Anhebung der Attraktivität des Forschungsstandorts zwar viel getan habe, "Österreich aber noch nicht zu den bevorzugten Destinationen" zähle. Maßgeblich dafür, dass begabte Forscher an einem Standort bleiben oder wieder zurückkehren, sei vor allem "die wissenschaftliche Exzellenz". Dass "Spitzenforscher an Spitzeninstitute" gehen, betonte auch der Rektor der Fachhochschule des bfi Wien, Andreas Breinbauer. Hier habe Europa einiges gegenüber den USA aufgeholt, dennoch seien Rückholaktionen nicht immer von Erfolg gekrönt. Es brauche auch "Leuchttürme", um renommierte Wissenschafter zu holen und zu binden.

Einer dieser "Leuchttürme" sei der Campus Vienna Biocenter, so Breinbauer. Die dort tätige Molekularbiologin Renee Schroeder führte ins Treffen, dass in ihrer Arbeitsgruppe momentan kein einziger Österreicher tätig ist. Es gelinge Wien in diesem Bereich sehr vielversprechende junge Talente anzusprechen. Schroeder betonte, dass es internationale Forscher-Communities in Wien gebe und kritisierte, dass das in der Studie "nicht genug herauskommt". (APA/red, derStandard.at, 4.5.2012)