Bei der Arbeiterkammer steht man dem Stabilitätspakt zwischen Bund, Ländern und Gemeinden eher skeptisch gegenüber. Es sei nicht der richtige Weg, um dauerhaft für Beschäftigung und Wachstum zu sorgen, sondern konzentriere sich zu sehr auf die Einhaltung des Budgetzieles, sagt Bruno Rossmann, Budget-Experte bei der Arbeiterkammer Wien, im Gespräch mit derStandard.at.

 

derStandard.at: Was halten Sie vom nun festgezurrten Stabilitätspakt?

Bruno Rossmann: Mit dem innerösterreichischen Stabilitätspakt folgt Österreich dem europäischen Vorbild des Fiskalpaktes und dem verschärften Stabilitäts- und Wachstumspakt. Allerdings schaut der Pakt dabei zu wenig auf die Zukunft des Landes und zu sehr auf die Einhaltung des Budgetzieles. Die Arbeiterkammer hat sich deshalb ja auch schon kritisch zur Schuldenbremse auf europäischer Ebene geäußert, weil sie nicht glaubt, dass das der richtige Weg ist, um dauerhaft für Beschäftigung und Wachstum vorzusorgen. Ich glaube natürlich schon, dass mehr Koordination der Fiskalpolitik in Österreich zwischen Bund, Ländern und Gemeinden wichtig ist. Diesem Aspekt schenkt der neue Pakt zu wenig Aufmerksamkeit. Die Koordination war schließlich schon in der Vergangenheit stark verbesserungswürdig. Aber mit reinen Sparaktionen, die teilweise überzogen sind, wird man weder das eine noch das andere erreichen.

derStandard.at: Was fehlt am Stabilitätspakt?

Rossmann: Es muss sichergestellt werden, dass durch eine Schuldenbremse nicht das Wachstum abgewürgt wird. Zusätzliche Aktionen zur Stabilisierung des Arbeitsmarkts bei steigender Arbeitslosigkeit müssen trotz Schuldenbremse auch in Zukunft möglich sein. Eine Schuldenbremse bringt uns dem Ziel hoher Beschäftigung und gleicherer Einkommensverteilung nicht näher. Vor allem nicht in der jetzigen Situation, wo sich Teile Europas bereits in der Rezession befinden und sich Österreich auch nicht ganz der europäischen Entwicklung entziehen kann. Der Stabilitätspakt konzentriert sich zu sehr auf Regeln, den Defizitabbau und auf geordnete Staatsfinanzen, aber zu wenig auf den Wohlstand für die Bürger.

derStandard.at: Die automatischen Sanktionen sind ja im aktuellen Stabilitätspakt vom Tisch. Ein mehrstufiges Verfahren soll das ersetzen. Ist das gut, oder wird der Pakt damit zahnlos?

Rossmann: Sanktionen sind grundsätzlich nicht der richtige Weg, um einen ausgeglichenen Haushalt zwischen den Gebietskörperschaften Bund, Ländern und Gemeinden sicherzustellen. Sie erhöhen lediglich die finanzielle Anspannung und ziehen weitere Kürzungen öffentlicher Leistungen nach sich. Zielführender wäre eine neue Kultur der Koordination auf Basis verbesserter Daten. Gerade verbesserte strategische Planungen und Abstimmungen führen zu einem besseren Mitteleinsatz als Sanktionen.

derStandard.at: Die Gemeinden zieren sich ja noch, den Stabilitätspakt zu unterzeichnen und fordern genaue Definitionen des Defizitspielraums.

Rossmann: Wenn die Gemeinden keinen Defizitspielraum erhalten und die Länder wie bisher über Ko-Finanzierungen im Gesundheits- und Sozialbereich mehr Geld von ihnen verlangen, dann werden die Gemeinden bei Investitionen sparen, ihre Ausgaben senken. Das wirkt sich dann über kurz oder lang auf die Beschäftigung und auf den Wohlstand aus, weil die Gemeinden die größten öffentlichen Investoren sind. (Daniela Rom, derStandard.at, 3.5.2012)