Brüssel - Die Uneinigkeit über schärfere Banken-Eigenkapitalregeln zwischen den EU-Staaten dürfte nicht nur an noch offenen Details in Einzelfragen liegen, sondern vor allem an der Forderung Großbritanniens nach größeren nationalen Spielräumen. Der britische Schatzkanzler George Osborne hatte nach dem Marathon der Sondersitzung der EU-Finanzminister von Mittwoch auf Donnerstag eine erhoffte Einigung verhindert, obwohl die anderen Länder versuchten, London entgegenzukommen, hieß es in Ratskreisen.

Briten gegen Kontrolle durch Kommission 

So habe die dänische EU-Ratspräsidentschaft mehrmals Abänderungen des zuletzt vorgelegten vierten Kompromisspapiers vorgenommen. Der ursprünglich nur bis drei Prozent befristete nationale systemische Kapitalpuffer, den Länder für ihre Banken aufschlagen können, wurde auf fünf Prozent für Risiken aus Inlandsforderungen angehoben. Bis zu einer Höhe von drei Prozent kann dieser Risikopuffer auch für andere Staaten gelten, doch ist damit ein eigenes Verfahren verbunden. So muss die EU-Kommission nicht nur informiert werden, sondern wenn ein betroffenes Land mit der Entscheidung eines Drei-Prozent-Risikopuffers in einem anderen Staat nicht einverstanden ist, kann von der Europäischen Bankenaufsicht ein verbindliches Vermittlungsverfahren verlangt werden.

Großbritannien wehrt sich dagegen und will mehr Autonomie. London ist auch gegen die vorgeschlagene ex-ante-Kontrollregelung durch die EU-Kommission. In Ratskreisen hieß es, dass die Briten einfach keinen Antrag stellen, sondern für sich entscheiden und eine Art komplette Freiheit am Finanzsektor haben wollten. 

Osborne gegen Barnier

Einen Schlagabtausch lieferten sich in den frühen Morgenstunden der britische Finanzminister George Osborne und EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Barnier könne nicht akzeptieren, jetzt auf der Zielgeraden zu sein und Basel nicht umzusetzen. Gegenüber den Briten habe man sich bemüht, die Flexibilität noch anzuheben, doch was Osborne wolle, sei eine "absolute permanente Flexibilität, ein Opt-out, da kann jedes Land machen, was es will, das ist unser Problem". Osborne wies das zurück. Es gehe darum, dass EZB und die ESRB verbindliche technische Standards haben. "Ich lasse mich nicht als antieuropäisch darstellen, und dass ich nur etwas für London fordere. Was ich will, ist eine gemeinsame technische Definition".

Einzelgänge machen Sache komplizierter

Die Regelung mit den fünf Prozent systemischem Risikopuffer soll laut dem jüngsten dänischen Vorschlag erst ab 2015 greifen. Ab 2013 ist nur die drei-Prozent-Regelung vorgesehen, bei der neben der Kommission auch die EBA und die ESRB (European Systemic Risk Board) informiert werden sollen. Die auf nationaler Ebene verhängten fünf Prozent Kapitalpuffer würden für die Mutterinstitute in dem eigenen Land, die Töchter sowie für die Zweigstellen der eigenen Banken in anderen Ländern gelten, aber nicht für Zweigstellen von Banken aus anderen Staaten im eigenen Land. Damit ist es auch nicht möglich, mit dem systemischen Risikopolster den gesamten Finanzsektor eines Landes zu erfassen, wurde in Ratskreisen betont.

Es gebe daher auch die Forderung von Ländern, alles zu erfassen, sodass es eine gegenseitige Übernahme der Puffer geben kann, damit auch die Zweigstellen der eigenen Bank in einem anderen Land eingefangen werden können. Wobei hier noch der Widerspruch zur Aufsichtsarchitektur gelöst werden muss. Darüber hinaus seien hier auch Steuerfragen betroffen. Wenn es möglich sei, sich mit einer Zweigstelle aus einem Kapitalpuffer heraushalten zu können, liege die theoretische Möglichkeit vor, aus Töchtern Zweigstellen zu machen. Wobei konzediert wurde, dass dies sehr aufwendig sei und nicht von heute auf morgen bewerkstelligt werden könne.

Der systemische Risikopuffer muss jedenfalls aus hartem Kernkapital bestehen. Dieses muss ja ab 2013 mit Basel III auf sieben Prozent sukzessive angehoben werden. Bei Einführung des nationalen Risikopuffers von fünf Prozent könnte sich damit das harte Kernkapital 2019 bis auf zwölf Prozent erhöhen. (APA/Reuters, 3.5.2012)