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Foto: AP/Wojazer

Tag der Arbeit für die Polizei: In Paris grenzten über tausend Ordnungshüter die Teilnehmer von drei Massenaufläufen gegeneinander ab. Die Gewerkschaften zogen zum Bastille-Platz, wo CGT-Chef Bernard Thibault unumwunden die Parole ausgab: "Schlagt Nicolas Sarkozy!" - also: Wählt den Sozialisten François Hollande, und nicht den Amtsinhaber.

Bei der alten Oper versammelte Marine Le Pen mehrere tausend Anhänger zu ihrer auch schon traditionellen Kranzniederlegung bei einer Jeanne-d'Arc-Statue. "Wir sind das Epizentrum der französischen Politik", rief die mit 17,9 Prozent ausgeschiedene Kandidatin des rechtsextremen Front National triumphierend, als wäre sie die eigentliche Wahlsiegerin.

Wie erwartet gab sie keine Empfehlung für die Stichwahl am kommenden Sonntag ab. Ihre Wähler sollten sich nach "freiem Gewissen entscheiden", meinte Le Pen, die selber "weiß" wählen will. In ihrer Rede ging Le Pen mit Sarkozy, der die Rechtswähler "tief enttäuscht" habe, fast härter ins Gericht als mit Hollande, der bloß "falsche Hoffnungen" wecke. Einer ihrer Anhänger meinte danach: "Die Hollande-Stimme ist okay, dann wird Marine 2017 umso eher Präsidentin."

Sarkozy bräuchte nach Berechnungen von Demoskopen mindestens drei Viertel der 6,4 Millionen Le-Pen-Stimmen, um den Rückstand auf Hollande wettzumachen. In einem letzten Wahlkampf-Video geht der Amtsinhaber einzig auf Le Pens Steckenpferd, das Thema Immigration, ein: Er betonte, er werde das Schengen-Abkommen in einem Jahr aussetzen, wenn die Grenzen nicht besser geschützt würden; außerdem wolle er die Einwanderung nach Frankreich halbieren.

Der konservative Präsident versammelte seine Anhänger, angeblich 200.000, auf dem Trocadéro-Platz im Westteil von Paris. "Eure immense Masse beweist allen Schimpfenden, dass nichts verloren ist für Frankreich", meinte Sarkozy vor der Kulisse des Eiffelturms. Die Front-National-Wähler sprach er weniger direkt an; immerhin erinnerte er an die "christlichen Wurzeln" Frankreichs und rief aus: "Wir wollen unsere Sprache, unsere Kultur, unsere Lebensart bewahren!"

"Bis zur letzten Sekunde"

Ansonsten meinte Sarkozy, er werde "bis zur letzten Sekunde kämpfen". Dennoch vermochte er keine Begeisterungsstürme mehr wie 2007 zu entfachen. Nach der obligaten Marseillaise trat er nochmals ans Rednerpult und bedankte sich bei seinen Ministern und seiner Ehefrau Carla Bruni - was fast wie politischer Abschied wirkte.

Hollande hielt sich auf Distanz zu den Pariser 1.-Mai-Umzügen: Er nahm in Nevers in Zentralfrankreich an einer kleinen Gedenkfeier für den sozialistischen Ex-Premier Pierre Bérégovoy teil, der am 1. Mai 1993 aus dem Leben geschieden war.

Laut einer bereits vor dem 1. Mai erstellten Umfrage des Instituts Ipsos verkürzte sich der Vorsprung Hollandes auf Sarkozy zuletzt leicht auf 53 zu 47 Prozent. Sarkozys letzte Chance ist das für Mittwochabend angesetzte Fernsehduell mit Hollande. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 2.5.2012)