Anno 1992 gab der Europäische Fußballverband (Uefa) ein politisches Statement ab. Er verweigerte der Nationalmannschaft des zerfallenden Jugoslawien, die sich auf sportlichem Weg qualifiziert hatte, wegen des Balkankriegs die Teilnahme an der EURO in Schweden. Dänemark rückte nach und gewann den Titel. 2007 hat die Uefa, als sie die EURO 2012 an Polen und die Ukraine und damit erstmals nach Osteuropa vergab, offenbar ebenfalls ein politisches Statement abgegeben. In der Ukraine war die Orange Revolution im Gang. "Julia Timoschenko war gerade dabei, an die Regierungsspitze aufzusteigen", sagt rückblickend Uefa-Präsident Michael Platini. Es kam anders, Timoschenko befindet sich mittlerweile in Haft, ist krank und seit mehr als einer Woche im Hungerstreik. Die EU kritisiert Timoschenkos Haft als politisch motiviert. Vergangene Woche gab es in der Ukraine eine Attentatsserie mit vielen Verletzten.

Waren vor ein paar Wochen noch drastisch überhöhte Hotelpreise und das Transportproblem in der Ukraine die Themen, sind es nun die Menschenrechte und die Sicherheit. Politiker drohen mit einem Boykott des Turniers, haben sie nun einen Titelfavoriten bei der EURO (Angela Merkel) oder nicht einmal eine Mannschaft (Werner Faymann). Sportminister Norbert Darabos straft unerbittlich das ukrainische Fußballteam mit Abwesenheit, verweigert sich dem Testspiel Österreichs gegen den EM-Gastgeber am 1. Juni in Innsbruck.

Die europäische Fußballverbandsspitze empfing am Montag im Uefa-Hauptquartier in Nyon in der Schweiz polnische und ukrainische Regierungsdelegationen, verlangte und erhielt Sicherheitsgarantien und sprach die obengenannten Bedenken an. Die Uefa schließt eine örtliche Verlegung des Turniers aus, eine zeitliche (um ein Jahr) hingegen nicht.

Abgesehen davon, dass weder der Boykott der Olympischen Spiele 1980 in Moskau seitens des Westens noch die Retourkutsche des Ostens bei den Spielen 1984 in Los Angeles den Kalten Krieg auch nur im Geringsten bedrohten, liegt der Fokus jetzt deshalb verstärkt auf der Ukraine, weil dort die Fußball-EM gegeben wird. Und die bietet eine europaweit wahrgenommene Plattform: Schließlich pflegt man nicht nur vom Kick, sondern auch von Land und Leuten zu berichten. Das Pech der Uefa kann durchaus ein Glück sein. Vor allem für die Ukrainer. (Benno Zelsacher, DER STANDARD, 2.5.2012)