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Kammerchef C. Leitl: "Keine Notwendigkeit" für Norm.

Foto: APA/Barbara Gindl

Wien - Das allgegenwärtige Thema Compliance (also die Einhaltung von Wohlverhaltensregeln in Wirtschaft und Verwaltung) beschäftigt nun auch das Austrian Standards Institute (ASI), vielen besser bekannt als Österreichisches Normungsinstitut. Und es entzweit selbiges mit der Wirtschaftskammer Österreich, namentlich mit deren Präsidenten Christoph Leitl und Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser.

Der Grund: Austrian Standards, ein als gemeinnütziger privater Verein konstituiertes Institut für die Entwicklung von Normen, soll auf Antrag von Rechtsanwalts- und Wirtschaftsprüfungskanzleien sowie diversen Unternehmensvertretern "konsensbasierte Normen für Compliance-Systeme" erarbeiten. Also eine Art Rahmen-Önorm schaffen, an die sich Unternehmer, Freiberufler und Behörden oder NGOs (Nichtregierungsorganisationen) bei der Aufstellung ihrer Wohlverhaltensregelwerke und Implementierung von Überwachungssystemen halten können. Wie bei anderen Normen auch, wären dann auch Überprüfungen und Zertifizierungen durch das Institut vorgesehen.

Mitte Juni wird das ASI-Präsidium unter der Leitung vom Ex-Chef der Bundeswettbewerbsbehörde, Universitätsprofessor Walter Barfuß, zusammentreten, um über den nächsten Schritt zu entscheiden: die Gründung eines Komitees für die Normerarbeitung, in dem auch Vertreter der Wirtschaft, Verwaltung und NGOs sowie Wissenschafter mitarbeiten sollen.

"Schaffung von Parallelrecht"

Etliche Gesprächsrunden hat es bereits gegeben, vor kurzem wurde ein Businessplan samt Ziel des Projekts, zu dem laut einem ASI-Juristen " auch die Bewusstseinsbildung für das Thema Compliance" gehört, ausgesandt. Auch an die Wirtschaftskammer Österreich (WKO) - und deren Antwort vom 17. April fiel eindeutig aus: eine Vernichtung. In einem dreiseitigen, von Leitl und Hochhauser gezeichneten Brief zerreißen selbige die Idee in der Luft.

"Die WKO spricht sich gegen die geplante Komiteegründung sowie gegen die Erarbeitung von Önormen und konsensbasierte Regelwerke zum Thema Compliance-Systeme aus", ist da zu lesen; verknappt nacherzählt brauche die Wirtschaft bei dem Thema keine neuen Normen. "Dies würde zu einer unerwünschten Schaffung von Parallelrecht ... führen. ... Gerade Bereiche wie Antikorruptions-, Datenschutz-, Kapitalmarkt- Kartellrechts-Compliance ... und Aufsichtsrecht sind bereits erschöpfend in Gesetzen geregelt. ... Wir dürfen davon ausgehen , dass sich die Normadressaten an diese Gesetze halten", schreiben die Kämmerer. Und: " Im Hinblick auf die bestehenden Kompetenzen des Gesetzgebers sowie der besonderen Kompetenzen im Finanzmarktaufsichtsbereich dürfen wir das ASI dringend ersuchen, von dem geplanten Normvorhaben Abstand zu nehmen."

Eine Interpretation der Pläne, die man bei Austrian Standards nicht teilt. Natürlich gehe es nicht darum, bestehende Gesetze zu konterkarieren, sagt ein ASI-Manager, man trachte vielmehr danach, einen Überbau zu schaffen, der zusätzliche Sicherheit für die Unternehmen und Behörden schaffe. Wie es nun weitergeht? "Wir werden einmal die Missverständnisse ausräumen", so der Normenexperte. (Renate Graber, DER STANDARD, 2.5.2012)