Raumanzugsimulator "Aouda.X" im Einsatz: Die Dachsteinhöhlen sollen auf den Mars einstimmen.

Foto: ÖWF

Star des Events war "Aouda", ein Anzug zur Simulation von Mars-Spaziergängen.

Ganz langsam arbeitet sich Daniel Schildhammer über die Stege und Stufen der Höhle. Um ihn glänzen die Eisformationen, die der Dachstein in seinem Inneren konserviert. Der Blick des 28-jährigen Physikers richtet sich durch das Visier seines Helms auf den Lichtkegel vor ihm. Es macht ihm Mühe, sich bei niedrigen Durchlässen zu bücken. Die 45 Kilo, die Schildhammer in Form eines bulligen, mit Aluminium beschichteten Anzugs umgeben, fordern ihren Tribut. Unter dem Kevlar-Gewebe verbergen sich Lebenserhaltungssysteme, Kommunikationstechnik und ein schweres Exoskelett. Mehrere Personen eines "Suit Tech"-Teams begleiten den Forscher.

Es hat länger als zwei Stunden gedauert, bis Schildhammer den silbern glänzenden Anzug angelegt hatte. Als Tester des Raumanzugsimulators " Aouda.X", der vom Österreichischen Weltraum-Forum (ÖWF) entwickelt und von der Förderagentur FFG mitfinanziert wurde, hat er lange für den Einsatz trainiert. Aouda wurde nach der indischen Prinzessin in Jules Vernes Klassiker In 80 Tagen um die Welt benannt. Der Anzug ist dazu gemacht, die Umweltbedingungen zu simulieren, mit denen Astronauten bei einer bemannten Mars-Mission konfrontiert wären.

Die "Prinzessin", wie das Team den Anzug liebevoll nennt, wäre selbst nicht am Mars einsatzfähig. Aouda soll aber bei der Entwicklung eines Raumanzugs helfen, der den Bedingungen am Roten Planeten gewachsen ist. " Er gibt alle wesentlichen Einschränkungen wieder, die ein Raumanzug real auf dem Mars auch hätte", sagt Astrophysiker Gernot Grömer von der Uni Innsbruck, der als ÖWF-Vorstand auch Projektleiter der Mars-Simulation ist. Der relative Überdruck im Anzug, der auf dem Mars getragen wird, muss genauso berücksichtigt werden wie die körperlichen Bedürfnissen des Trägers: "Essen, trinken, aufs Klo gehen, das kann er alles im Raumanzug machen."

Die "Prinzessin" kam in den vergangenen fünf Tagen bei einem Feldversuch in den Dachstein-Eishöhlen zum Einsatz. Forscher aus zehn Ländern waren an zwölf unterschiedlichen Experimenten rund um die Herausforderungen einer realen Mars-Mission beteiligt. Daten von Anzug und Testperson, beispielsweise Herzfrequenz, CO2-Ausatmung oder Temperatur, werden laufend an das Kontrollzentrum geschickt. Ein Mediziner überwacht die Werte und verordnet gegebenenfalls Pausen, erklärt Alexander Soucek, einer der Missionsleiter.

"Computer zum Anziehen"

Um die Kommunikation und die Übertragung von Telemetrie-Daten zur Bodenstation sicherzustellen, wurde ein Datenfunknetz in der Höhle etabliert. Es gebe jeweils nur eine Person, die bei den Missionen mit dem Anzugtester in Kontakt ist, so Soucek. Die Kontaktperson müsse ebenfalls Anzugtester sein, um sich in die Situation einfühlen zu können. Auf dem Weg in den Parsifaldom in der Eishöhle ist Schildhammer etwa der Kopfhörer verrutscht. Sobald die Ventilation im Anzug eingeschaltet ist, kann er nur noch über sie hören. Bei einem realen Einsatz dürfte das nicht passieren. "Wir müssen lernen, mit dem Anzug richtig umzugehen", sagt Grömer. Über die Breitbandverbindung nach außen sehen dem Anzugtester Wissenschafter in Utah, in Kalifornien und in Neuseeland über die Schulter. Sie können in Echtzeit Anweisungen geben, etwa zu bestimmten Proben, die entnommen werden sollen.

Die "Prinzessin" sei im Grunde ein "Computer zum Anziehen", sagt Grömer. Ihn zu bedienen sei nicht einfach: Bei den Einsätzen seien Tester einer " hoher physiologischen und kognitiven Arbeitslast ausgesetzt". Der Begriff Weltraumspaziergang sei eigentlich ein krasses Understatement. " Wenn es wirklich ans Eingemachte geht, kann es locker sein, dass er während eines Einsatzes ein Kilo verliert."

Die Testserie ist bis ins Detail durchchoreografiert und soll die vorhandene Zeit optimal ausnutzen. Bei der Entnahme von Proben mittels eines Laborkoffers ist etwa jeder Handgriff genau festgelegt. Für den Umgang mit extraterrestischen Proben gilt ein komplexes Protokoll. Bei einem der Experimente, bei dem auch die Nasa beteiligt ist, konzentrieren sich die Forscher allein auf mögliche Kontaminationswege bei der Probenentnahme.

Eines der zentralen Forschungsfelder widmet sich der Interaktion des Anzugs mit Robotern. Auf einem der Mars-Rover, die bei dem Feldversuch getestet werden, ist eine Gerätschaft namens "Wisdom" montiert. Hinter dem Projektnamen verbirgt sich ein sogenanntes Georadar. Bisherige Bildsysteme waren auf die Untersuchung der Mars-Oberfläche beschränkt. Mit Wisdom, einer französischen Entwicklung, soll sich der Blick auch unter die Oberfläche richten, erklärt Steve Clifford vom Lunar Planetary Institute in Houston. Das Radar kann im Felsen bis in eine Tiefe von drei Metern Objekte von wenigen Zentimetern Größe ausmachen.

Mittels des Georadars sollen auf dem Mars passende Plätze für Bohrungen bis in zwei Meter Tiefe gefunden werden. Die Bohrkerne sollen Spuren von Wasser ausfindig machen und Aufschluss über gegenwärtiges oder früheres Leben geben. Wisdom soll mit der Exomars-Mission der Europäischen Raumfahrtbehörde Esa im Jahr 2018 zum Mars starten.

Etappenziel Arktis

Im Eis der Dachsteinhöhle blickt das Georadar bis in Tiefen von zehn Metern und zeichnet die Übergänge zwischen Eis und Felsen auf. Dem großangelegten Feldversuch in den Dachsteinhöhlen soll im nächsten Jahr ein weiterer in Marokko folgen. Für die Jahre darauf seien Tests in der Arktis geplant, erklärt Missionsleiter Soucek: aber erst, "wenn wir das Geld beieinander haben". Österreichs Chancen liegen in der Nischenforschung, so Projektleiter Grömer. Weltweit würden sich nur vier Teams mit Raumanzugsimulatoren beschäftigen - Aouda ist der einzige, der aus Europa kommt.

"Es ist nicht so, dass die Nasa zu uns kommt, und sagt: Bitte macht uns einen Raumanzug", sagt Grömer. "Aber wir gehen davon aus, dass wesentliche Erfahrungen, die wir hier sammeln, in einen realen Raumanzug einfließen werden." Ein solcher wird frühestens in 20 Jahren auf dem Mars zum Einsatz kommen. Der künftige Anzugträger, so Grömer, sei jetzt schon ein Teenager. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 02.05.2012)

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Wissen: Unterirdische Hoffnungen

Auf dem Mars gab es bis vor wenigen hundert Millionen Jahren Vulkanaktivität. Die höchste Erhebung des Planeten, der nur die Hälfte des Erddurchmessers aufweist, ist ein erloschener Vulkan von 28.000 Metern Höhe, der eine Fläche von der Größe Frankreichs einnimmt. Kein fließendes Wasser erodiert hier den Fels wie auf der Erde.

Die mittlere Temperatur auf dem Planeten beträgt etwa -55 Grad Celsius. Der Mars weist eine nur sehr dünne Atmosphäre auf: Sie entspricht dem atmosphärischen Druck der Stratosphäre der Erde, also in etwa 35 Kilometern Höhe.

Seit einigen Jahren ist bekannt, dass auch auf dem Mars Höhlen existieren. Die unterirdischen Systeme, die etwa durch vulkanische Aktivität entstanden sind, bieten stabile Umweltbedingungen, konstante Temperaturen, erlauben hohe Luftfeuchtigkeit und schützen vor kosmischer Strahlung. Sollte auf dem Roten Planeten irgendwann einmal Leben existiert haben, könnten sich Mikroben in diese Höhlensysteme zurückgezogen haben. Auch erste menschliche Siedler auf dem Mars könnten in Zukunft in den Vulkanhöhlen Unterschlupf finden.

Die Eishöhlen im Dachsteinmassiv sind nicht vulkanischen Ursprungs. Sie stellen für die Mars-Forscher aber analoge Bedingungen bereit, um den Einsatz von Geräten, das sterile Entnehmen von Proben und Kommunikations- und andere weltraumtechnische Strategien zu testen. (pum)