Philipp Walulis sieht für Einsplus ab 9. Mai fern.

Foto: ARD

STANDARD: Welche Sendung ist die derzeit schrecklichste im Fernsehen?

Walulis: All jene, die vorgeben, Menschen zu helfen, sie aber stattdessen nur vorführen wollen. Um Namen zu nennen: Bei Schwer verliebt von Sat.1 glauben die Protagonisten tatsächlich, dass ihnen geholfen wird.

STANDARD: Gute Zeiten für Mediensatire: Ihnen gehen die Stoffe nicht aus?

Walulis: Wir sind sehr dankbar, dass RTL und Sat.1 sicher zehn weitere Staffeln von Walulis sieht fern befüllen. Oder Astro-TV: Da gibt es einen Stein, der das Böse entfernt - leider nur auf eine Distanz von hundert Quadratmetern. Ein Highlight! Wir werden diesen Stein selbstverständlich testen.

STANDARD: Und was, wenn er nicht funktioniert?

Walulis: Dann würde ich sagen, dass ich mich in meiner Theorie bestätigt fühle.

STANDARD: Ihre Show lief bereits im privaten Tele 5. Ab 30. April im öffentlich-rechtlichen Einsplus. Wie kam's?

Walulis: Ich nehme an, dass es war wie immer: Wenn auf privaten Sendern irgendetwas läuft, das funktioniert, wird es gekauft. Mein Karrieretipp: Wenn man zur ARD möchte, einfach bei den Privaten erfolgreich sein, dann schafft man's.

STANDARD: Gab's Vorgaben oder Einschränkungen des neuen Arbeitgebers?

Walulis: Wir versuchen eine einigermaßen standfeste Kritik zu liefern.

STANDARD: Das heißt, Scherze mit "notgeil@putzenundficken.de" sind weiterhin erlaubt?

Walulis: Wir haben das Glück, dass wir bei einem jungen Sender sind, der zum Ziel hat, die junge Zielgruppe anzusprechen. Ich konnte mich mit Verantwortlichen unterhalten und die zumindest stillschweigende Zustimmung erhalten, mich etwa mit Figuren der jüngeren deutschen Geschichte auseinanderzusetzen. Die wissen, was sie gekauft haben. Hätte es ihnen nicht gefallen, hätten sie es nicht gemacht. Es gibt keine Tabus, wir dürfen auch Witze machen über die ARD-eigenen Sender und können daher jetzt schon sagen, dass sich der Mitteldeutsche Rundfunk warm anziehen muss.

STANDARD: Sie sprechen von romantischen Schlagerfahrten auf Ausflugsbooten? Wundern Sie sich über den Geschmack des Publikums?

Walulis: Ja, aber ich merke an mir, dass ich selbst den größten Mist unterhaltsam finden kann. Ich amüsiere mich bei Anrufsendungen mitunter königlich. Fernsehen ist wie Fast Food - hin und wieder geht das.

STANDARD: Ziel Ihres Spotts ist auch der "Tatort". Tipps für Wege aus der Krise?

Walulis: Der Tatort hat eine großartige Lebensversicherung: Selbst wenn es rotzlangweilige Folgen gibt, wagen andere Sendeanstalten Neues. Und er verändert sich ja auch. Ich gestehe, dass ich nicht der größte Fan des österreichischen Tatort war, aber seit diese alkoholkranke Kommissarin (Adele Neuhauser, Anm.) dabei ist, sind die Fälle richtig gut.

STANDARD: Es gibt auch in Österreich Programme für Mediensatire. Kennen Sie "Saturday Night Fever"?

Walulis: Steht schon auf meiner Liste. Ich bin aber derzeit von ATV angefixt mit dem Highlight österreichischer Unterhaltung: Das Geschäft mit der Liebe.

STANDARD: Die relativ tief angesiedelte Brautschau der Herren Nissel und Co?

Walulis: Genau, da ist sofort meine Liebe zu ATV entbrannt, und als ich weitergeschaut habe, bin ich auf Saturday Night Fever gestoßen. Die Sendung hat einen gewissen Charme.

STANDARD: Das Beste im Fernsehen derzeit?

Walulis: Mir gefällt, was Charlotte Roche und Jan Böhmermann auf ZDF Kultur machen. Weil das eine Talkshow ist, die nicht nach Schema F abläuft. Sie haben Mut, das geht manchmal schief, aber dann wiederum entstehen grandiose Situationen. (Doris Priesching, DER STANDARD, 30.4.2012)