Wegen der Aufsplitterung in viele Fraktionen müssen am israelischen Regierungstisch immer Menschen zusammensitzen, die eigentlich nicht miteinander können. Seine derzeitige Koalition konnte Benjamin Netanjahu nur bilden, weil es ihm gelang, die militant säkuläre Rechtspartei Avigdor Liebermans mit drei religiösen Gruppen unter einen Hut zu bringen. Um der großen Nahost-Fragen willen hat man die Differenzen bisher hintangestellt, aber jetzt spürt Lieberman, dass es besser aussehen würde, wenn er den Religiösen die Zähne zeigt.

Auch wenn diese Regierung tatsächlich bald zerbricht, wird sie die längstdienende seit mehr als 30 Jahren gewesen sein. Ob das Gefühl von relativer Ruhe und Stabilität, im Vergleich mit der arabischen Nachbarschaft und krisengebeutelten westlichen Ländern, echtem Geschick Netanjahus oder bloß seinen Gauklerkünsten zu verdanken ist, darüber wird im Wahlkampf ausgiebig gestritten werden.

Ist es aber nun schon Teil des Wahlkampfs, wenn Juval Diskin laut die Alarmglocken läutet? Der Exgeheimdienstchef scheint durch ehrliche Sorge motiviert zu sein, doch dem Ziel, eine iranische Bombe ohne militärische Mittel zu verhindern, hat er nicht gedient. Ein Angriff auf den Iran ist nämlich umso weniger wahrscheinlich, je glaubwürdiger die Drohung damit ist. Einen Zusammenhang kann man aber getrost herstellen: Im Jahr 2012 kann Israel nur entweder wählen oder den Iran angreifen, nicht beides. (Ben Segenreich, DER STANDARD, 30.4.2012)