Rudolf Mitteregger war viermal Glocknerkönig der Österreich-Radrundfahrt. Der Steirer gewann 1970, 1971, 1973 und 1974 die prestigereiche Bergwertung auf der Hochalpenstraße.

Foto: privat

Rund 10.000 Kilometer legt Mitteregger pro Jahr noch auf dem Rad zurück.

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Gaal/Wien - Hätte es 1974 schon Youtube gegeben, Rudolf Mitteregger müsste heute nicht immer wieder dieselbe Frage beantworten. Was, so wird der 67-Jährige also immer wieder gefragt, was hat er damals wirklich gesagt, am 9. Juni 1974, als ihn während der dritten Etappe der 26. Österreich-Radrundfahrt in der Abfahrt vom Gaberl in der Steiermark ein Hinterraddefekt ereilte und sein Betreuerauto nicht und nicht zur Hilfe kommen wollte? "Es gibt immer wieder Stammtischwetten. Die Leute rufen dann sogar in der Nacht an und fragen mich, was ich wirklich gesagt habe."

"Wo bleib'n denn die Aff'n? Ja san denn die deppert?", schrie Mitteregger damals in seiner Verzweiflung heraus. Ein tieferes Wort als Affen, wie oft vermutet wird, ist nie gefallen. Und verblödet war Mittereggers Crew auch nicht. Sie war in der Menschenmenge auf der Passhöhe steckengeblieben und hatte sich an die vorgegebene Reihenfolge für Betreuerfahrzeuge zu halten. Was dazu führte, dass Mitteregger, der die Bergwertung am Gaberl überlegen gewonnen hatte, mit wachsendem Entsetzen mitansehen musste, wie ein Konkurrent nach dem anderen vorbeizog. "Es war schrecklich für mich. Ich schäme mich nicht meiner Worte, weil es eine menschliche Reaktion war." Die Etappe hat damals ein Franzose gewonnen, die Rundfahrt aber Mitteregger. "Das zeigt, dass man die Flinte niemals ins Korn werfen soll."

Der ewige Rivale

Es war der zweite einschlägige Gesamterfolg des Bergfahrers aus der Gemeinde Gaal in der Obersteiermark nach 1970. 1977 sollte er nochmals triumphieren, dazu war er viermal Zweiter und einmal Dritter. Viermal war Mitteregger Glocknerkönig, ein Rekord bis heute. Seinem ewigen Rivalen, dem um drei Monate älteren Tiroler Wolfgang Steinmayr, der die Rundfahrt viermal und also so oft wie bisher keiner gewann, war der Triumph am "Dach der Tour" nur zweimal vergönnt gewesen.

Mitteregger trifft Steinmayr "pro Jahr vielleicht zwei- bis dreimal, auf Empfängen und so". Eine enge Freundschaft habe sich nicht entwickelt. " Er war ein kleines Schlitzohr, ich war nicht streitsüchtig und immer auf mich selbst konzentriert." Auf den Radsport konzentrieren konnte sich Mitteregger, der gelernte Einzelhandelskaufmann ("Ich war Ladlschupfer in einer Gemischtwarenhandlung"), dank des Bundesheeres, das er erst als pensionierter Vizeleutnant wieder verließ. "Nach meinem Grundwehrdienst beim Heer geblieben zu sein war eine meiner besten Entscheidungen." Schließlich war Mitteregger 1970, im Jahr seines ersten Rundfahrtssieges, schon verheiratet und Vater zweier Mädchen.

Karriereende

Stationiert war er in der Fliegerschule Zeltweg, anfänglich bestand die Begünstigung nur darin, für das Training eine Stunde früher Dienstschluss zu bekommen. Verhältnisse wie im Leistungszentrum Südstadt, das er wegen der Entfernung zur Familie nicht frequentierte, standen ihm nicht zu Gebote: "Die hatten ja außer essen, schlafen und Rad fahren nicht mehr viel zu tun." Er selbst war zuletzt in Zeltweg mit der Flugdatenverarbeitung und administrativer Arbeit für Piloten beschäftigt.

Der Wechsel in die sportliche Pension erfolgte nicht alters-, sondern verletzungsbedingt. 1983, beim Klassiker Wien-Gresten- Wien, kam Mitteregger schwer zu Sturz. "Ich bin in eine Baugrube geflogen, erlitt einen Lugenriss und sieben Rippenbrüche." Mitteregger lag 21 Tage im Spital, litt unter Herzrythmusstörungen. Sportmediziner Peter Baumgartl riet dem schon 39-Jährigen, seine Karriere zu beenden. "Das war bitter, weil ich gerne bei den Olympischen Spielen in Los Angeles aufgehört hätte."

Spaß am Pedal

Es wären Mittereggers dritte Spiele gewesen. 1972 in München und 1976 in Montreal fuhr er die Straßenrennen und die Teamvierer - mit wenig Erfolg. Mitteregger bedauert, dass das Einzelzeitfahren noch nicht olympisch war. "Das wäre genau meines gewesen."

Natürlich dauerte die Absenz vom Leistungssport nicht lange. Mitteregger, der beim Klub Rapso Knittelfeld nach wie vor engagiert ist, fuhr noch lange Jahre Seniorenrennen. Mittlerweile tritt der vierfache Großvater nur noch spaßeshalber in die Pedale und kommt dabei pro Jahr auf rund 10.000 Kilometer. Er besucht auch noch den Großglockner.

Wer ihn besuchen will, muss in die Rudolf-Mitteregger-Siedlung der Gaaler Katastralgemeinde Graden am Fuß der Niederen Tauern fahren. Es geht leicht bergauf zum Glocknerkönig, der sich über die einschlägige Benennung der Siedlung zu seinen Lebzeiten freut. "Sonst liegt man ja schon unter der Erde, wenn man geehrt wird. Der Ferry Dusika hat zum Beispiel nichts mehr gehabt vom Dusika-Stadion." (Sigi Lützow, DER STANDARD, 30.4.2012)