Die Fossiliensammler Karsten und Solveig Witteck berichten über die spektakulärsten Funde ihrer Exkursionen am dänischen Limfjord:

In unserem Bericht über das Danekrae-Verfahren und unsere persönlichen Erlebnisse damit möchten wir natürlich auch unsere Funde ansprechen. Sie stellen einen verschwindend kleinen Teil der bisher abgegebenen spektakulären und wirklich sehenswerten Funde dar, die es zu zeigen lohnte. Aber wir haben uns - nicht zuletzt im Hinblick auf das Copyright - entschlossen, in diesem Bericht ausschließlich eigene Funde zu zeigen. 

Seit 1986 verbringen wir unseren Urlaub immer wieder auf Fur. Dort haben wir unsere Funde stets dem Museum zur Bestimmung vorgelegt. Soweit ein besonderer Fund dabei war, haben wir ihn immer dem Museum geschenkt. Das fiel uns auch nicht so schwer, weil die Fossilien im Moler fast immer aus Druck und Gegendruck bestehen. So teilten wir die Funde: eine Hälfte blieb bei uns, und die andere Hälfte bekam das Museum und wurde dort auch tatsächlich ausgestellt.

Als wir im Sommer 1990 dem Fur-Museum einen kleinen Fisch vorlegten, der so ganz anders aussah als die bisher gefundenen Fische, war der Leiter plötzlich ganz aufgeregt. Das sollte ein sehr seltener Fisch sein. Also schenkten wir dem Museum wieder eine der Hälften.

Foto: Karsten & Solveig Witteck

Antigonia: Der erste anerkannte Danekrae (Danekrae Nr. 2)

Im Dezember des Jahres bekamen wir aus Kopenhagen einen Barscheck und ein Schreiben, in dem mitgeteilt wurde, dass unser Fisch zum ersten Danekrae erklärt wurde.

In einem Gutachten der Naturwissenschaftlichen Referenzgruppe beim "Statens Museumsnaevn" in Kopenhagen wurde der Fund als ein "Antigonia ähnlicher Strahlenflosser (Actinopterygii)" bestimmt. Obwohl wir den Fisch dem Fur-Museum geschenkt hatten, bekamen wir eine Belohnung von 2.000 dänischen Kronen.

Unser kleiner Fisch war also zum ersten Danekrae erklärt worden, hatte aber die Registernummer "2". Das konnten wir uns nun gar nicht erklären. Nach Jahren haben wir von den Museumsleuten die dazugehörige Geschichte erfahren:
Gleich nach Inkrafttreten der in allen dänischen Zeitungen verbreiteten Danekrae-Verordnung rief ein Finder im Museum an und kündigte einen kindskopfgroßen Bernstein mit Holzrinde an, der unbedingt vom Museum abgeholt werden müsse. Also wurde aufgrund des Telefonats der angekündigte "Riesenbernstein" unter der Registernummer "1" in die Liste eingetragen. Zwei Museumsmitarbeiter machten sich eilig auf den Weg zu diesem Schatz. Vor Ort erlebten sie - und auch der Finder - eine herbe Enttäuschung. Bei dem "Bernsteinbrocken" handelte es sich um verhärteten Firnis aus einer Holztonne, die im Großen Belt über Bord gegangen war. So rückte unser kleiner Fisch mit der Registernummer "2" zum ersten Danekrae auf.
Unser winziger Fisch kann aber nicht mit dem zweiten Danekrae (Registernummer "3") konkurrieren; einer Platte mit über 20 sehr gut erhaltenen Seeigeln aus Fakse, die erst einige Zeit später abgeliefert worden ist. Dieser außergewöhnliche Fund wurde im dortigen Museum als "Erster Danekrae aus Fakse" präsentiert. Diese Formulierung könnte (und sollte?) den Eindruck erwecken, es sei der erste Danekrae; tatsächlich ist es aber lediglich der erste in Fakse gefundene Danekrae.

Foto: Karsten & Solveig Witteck

Vogelkopf (Danekrae Nr. 200)

Im Frühjahr 1996 nahmen wir an der jährlichen Exkursion des Naturwissenschaftlichen Vereins zu Hamburg teil. Dabei besuchten wir auch das Östklint auf der Insel Fur. In einem gewaltigen Zementsteinblock war seitlich ein Riss zu sehen. Beim Aufspalten kam ein merkwürdiges, zunächst undefinierbares Gebilde zutage, das zudem noch dunkel und bergfeucht war. Als die Feuchtigkeit wich, wurde ein Vogelkopf erkennbar. Auch das Gegenstück ließ sich einfach aus dem Stein herausspalten. 

Als unser Freund Horst den Fund sah, kam von ihm der durchaus passende Spruch: "Da hast Du aber eine schöne Dänenkrähe gefunden". Und so kam es dann auch.
Im Februar 1997 wurde der Vogelkopf als Danekrae anerkannt und die finanzielle Belohnung war äußerst großzügig.

Im Gutachten wurde der Fund als "eines der spektakulärsten Vogelfossilien aus dem Moler" bezeichnet. Die seltene Kombination von Kopfform und Federkamm könne zu neuen Erkenntnissen führen. Bisher seien nämlich lediglich Knochen oder Federn gefunden worden, jedoch nie beides gemeinsam. Bei dem als Watvogel bestimmten Fossil seien Augenhöhle und Federkamm als dünne Kohleschicht erhalten. Weiter hieß es, der dunkle Farbstoff enthalte Melanin-Korn und es liege möglicherweise eine echte Farberhaltung vor (nicht lediglich Farbmustererhaltung).

Nun ein schönes Beispiel für den guten Kontakt der dänischen Wissenschaftler zu den Danekrae-Findern:

Im Juli 2008 erhielten wir ein interessantes Schreiben von Bent Lindow (Statens Naturhistoriske Museum, Köbenhavns Universitet). Er berichtete, dass sein dänischer Kollege Jakob Vinther an der Yale-Universität (USA) mit einer internationalen Forschergruppe die Farberhaltung in Vogelfedern untersucht hat.
Dabei wurden auf "unserem" Vogelkopf sowohl in den Federn als auch in der Augenhöhle Melaninkörner festgestellt, aus deren Form und Gestalt man Hinweise auf die Farben ableiten kann. Die Veröffentlichung dieser Arbeit in "biology letters / Palaeontology" erregte insbesondere deshalb großes Aufsehen, weil auch auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, dass anhand der eingeschlossenen Melaninkörner "die Farbe [...] der Vögel und der anderen Dinosaurier" interpretiert werden könne.

Foto: Karsten & Solveig Witteck

Kofferfisch (Danekrae Nr. 406)

Im Sommer 1996 hatten wir im Schiefer des Stolleklints auf Fur einen kleinen rundovalen Fisch gefunden, den wir als Kugelfisch ansahen. Wir legten ihn dem damaligen Leiter des Fur-Museums vor, der unsere Bestimmung bestätigte. Wie immer boten wir ihm eine der beiden Platten als Geschenk für das Museum an, während der andere Teil in unsere Sammlung kam. 

Nach zwei Jahren stellte Niels Bonde, der Molerfisch-Experte aus Kopenhagen, bei seinem Besuch im Museum fest, dass es sich nicht um einen Kugelfisch, sondern um einen sehr seltenen Kofferfisch handelt. Beide Fische sind sich so ähnlich, dass man den Unterschied nur schwer erkennen kann. Charakteristisch sind die kleinen, kräftigen Schuppen mit hervorstehenden Stacheln sowie die Stellung der Rücken- und der Analflosse. Da diese Art erstmals gefunden bzw. abgegeben wurde, erhielt der Fisch im Januar 2002 den Danekrae-Status.

Foto: Karsten & Solveig Witteck

Karpfenfisch (Danekrae Nr. 462)

Mit dem riesigen Kreidebruch von Aggersund am nördlichen Limfjord verbindet uns eine tiefe Hassliebe. Entweder findet man gar nichts oder man macht den Fund des Jahres.
Im Sommer 2005 hatten wir wieder einmal Glück und fanden einige sehr schöne Echiniden. Aber dann ein Aufschrei von Solveig: "Ein Fisch!". Ich wollte es zunächst nicht glauben: "Ein Fisch aus dem Maastricht?" Aber es war tatsächlich so.
Wir gaben den Kreideblock mit Gegenstück im Moler-Museum Mors ab und erhielten im Februar 2006 vom Geologischen Museum Kopenhagen den Bescheid über die Anerkennung als Danekrae.

Nach dem Gutachten sind der Kopf und der Vorderteil mit 15 Wirbeln erhalten; die Flossen fehlen. Es sei eine "mittlere Sensation", weil der Fisch zu den Karpfenfischen (Ostariophysi) gehören könnte. Diese Gruppe sei noch nie in der Oberkreide Nordwesteuropas gefunden worden. Auf jeden Fall handele es sich um einen relativ primitiven Fisch vom "Weichflossentyp" und der sei außergewöhnlich selten in der dänischen Schreibkreide. Derartige Funde könne man "an den Fingern einer Hand abzählen".

Foto: Karsten & Solveig Witteck

Bein einer Ralle (Danekrae Nr. 489) und eines Laufhühnchens (Danekrae Nr. 494)

In dem inzwischen leider aufgelassenen und aufgefüllten kleinen Molerbruch Lynghoj schräg gegenüber dem Molermuseum Mors fanden wir im Jahr 2006 beim Aufspalten einer Zementsteinplatte einen länglichen Hohlraum. Nach dem Urteil von Henrik Madsen, dem Leiter des Museums, war es ein Vogelbein im Längsbruch. Er hielt eine Präparation für möglich, gab uns einige sehr wertvolle Tipps und wünschte uns viel Geduld und Glück.

Nach einigen Wochen war dann die Präparation abgeschlossen und wir schickten eine E-Mail mit Foto nach Kopenhagen. Wir erhielten von dort die Nachricht, dass dieser Fund sehr interessant sei und wurden um Zusendung des Fossils auf dem Postwege gebeten. 

Im Verlaufe der sehr netten Korrespondenz schickte ich ein Foto eines anderen vor Jahren in Ejerslev/Mors gefundenen und präparierten Vogelbeines. Auch hier vereinbarten wir die Übersendung per Post. Beide Vogelbeine wurden kurze Zeit später zum Danekrae erklärt.

(Fotos: Links: Bein einer Ralle, Länge: 12 cm;
Mitte: Bein eines Laufhühnchens, Länge etwa 7 cm;
Rechts: Bein eines Hühnervogels, Länge: 8 cm, Aussehen vor der Präparation siehe nächstes Bild).

Foto: Karsten & Solveig Witteck

Bein eines Hühnervogels (Danekrae Nr. 504)

Im Sommer 2007 hatte Solveig erneut ein Vogelbein im Zementstein gefunden. Fundort war die Abraumhalde der Grube Ejerslev. (Foto: Das Bein im Fundzustand, Präparationsergebnis siehe voriges Bild). Nach der Präparation hatten wir wieder per E-Mail ein Foto nach Kopenhagen übermittelt.
Und nun wurde es spannend: Der dortige Kustode Arne T. Nielsen schrieb uns umgehend zurück, dass er unser Foto an den Vogel-Experten Bent Lindow weitergeben werde. 

Der hatte gerade einige Tage vorher eine Veröffentlichung über ein anderes Vogelbein aus dem Moler fertiggestellt. Es sei die erste Beschreibung eines solchen Hühnervogels aus dem unteren Eozän der Fur-Formation. Aus dem Abdruck im Moler allein könne dieser Vogel aber keiner Familie zugeordnet werden; möglicherweise repräsentiere dieser Fund sogar eine neue "Familie" von Hühnervögeln.
Es erfordere jedoch zusätzlich mehr komplettes Material, um diese Hypothese zu unterstützen. Weil nur der Abdruck im Moler vorliege, hoffe er irgendwann in den nächsten Jahren auf den Fund eines ähnlichen Beines im Zementstein. Und dann kommt - wie der Zufall es will - einige Tage später von uns die E-Mail mit dem Foto von genau diesem Fund.

Da wir nun schon drei Vogelbeine nach Kopenhagen geschickt hatten, stellte uns der Kustode im Scherz die Frage, was wir denn wohl immer mit dem Rest der Vögel machten, wenn wir ständig nur die Beine abgeben...

(Der Steinkern, Heft 9, gekürzte Fassung für derStandard.at, 5.5.2012)

Foto: Karsten & Solveig Witteck

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