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"Er ist täglich präsent, es gibt keine Möglichkeit, ihm zu entfliehen. Er verfolgt uns auf Magazin-Titelbildern, beim Fernsehen und im Ausland auch in der Werbung. Die Rede ist" - wie könnte es anders sein - von ihm. Und eben weil er uns so gnadenlos verfolgt, weil er "täglich präsent" ist und es "keine Möglichkeit, ihm zu entfliehen gibt", konnte sich das freiheitliche Magazin "Zur Zeit" einfach nicht beherrschen, am "Geschäft mit dem Grauen" mitzunaschen. Schließlich: Welches Magazin sonst, wenn nicht dieses? Und diesmal gingen die Mölzers mit teuflischer, kaum zu durchschauender List vor. Wie bringt man ihn auf das Titelbild und widmet ihm auch gleich ein "Thema der Woche", ohne den unter linken Gutmenschen ständig lauernden Verdacht nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu nähren? Ganz einfach: Man rückt auf dem Titelblatt sein Konterfei neben eine Flasche Prosecco und schreibt entrüstet darunter: "Wenn das der Führer wüßte!" - Das Geschäft mit Hitler". Wo der Führer bekanntlich doch nur Teerunden geschmissen hat.

Wann immer von "Geschäft" die Rede ist, wird man bei "Österreich" hellhörig. Sofort wurde man beim "Zur Zeit"-Herausgeber vorstellig, um Näheres zu erfragen und erfuhr: "Als Huldigung sei dies nicht zu verstehen. "So wie es profil und Spiegel schon dutzende Male gemacht haben, bringen wir eine Geschichte über die mediale Ausschlachtung Adolf Hitlers als Geschäftszweig", placierte Andreas Mölzer sein Schriftl im Magazinmarkt. "Das Erscheinungsdatum sei 'Zufall'". Seine Schuld, wenn es zufällig auf den 20. April fiel?

Das "Thema der Woch" zieht sich dann über neun Seiten, wobei nie ganz klar würde, warum ein Thema, das von "profil und Spiegel schon dutzende Male" behandelt wurde, in "Zur Zeit", dessen Leser mit der Materie ohnehin bestens vertraut sein dürften, noch einmal breitgetreten wurde - ahnte man nicht, es sei aus purem "Zufall".

Nicht ohne Neid gedenkt "Zur Zeit" des Mediums, in dem sich ein Autor noch unbeschwerter mit dem Thema beschäftigen konnte. "Lachen über Hitler? Ein Wolf Martin mit dem Herausgeber der größten Zeitung des Landes im Rücken konnte sich noch Späße erlauben an Hitlers Geburtstag, allen anderen sei im Umgang mit der regelmäßigen Wiederkehr des Diktators strengster Bierernst empfohlen". Man kann Mölzer und Co gar nicht genug bedauern ob der Zurückhaltung, zu der sie sich von der Political Correctness brutal gezwungen fühlen. "Die 'Reichskristallnacht' etwa heißt heute 'Reichspogromnacht' oder 'November-Pogrom'". Da geht natürlich das Beste verloren. Der sanfte Hinweis darauf, daß 'Reichskristallnacht' zunächst eine spöttische Bezeichnung der Bevölkerung für diese als öffentlicher Aufruhr getarnte Kommandoaktion der Nazis war, mag in Historikerdiskussionen noch durchaus Beachtung finden", aber dass der Bevölkerung von heute der unbeschwerte Sinn der Bevölkerung von damals für "eine spöttische Bezeichnung" vorenthalten werden soll, ist wirklich bedauerlich.

Verdienstvoll auch der Historiker Lothar Höbelt, der völlig neue Seiten aufschlägt, etwa wenn er sich mit der Feststellung zitieren lässt, "'Hitler ist ein Markenname wie Dracula oder Winnetou'". Oder wenn er uns den Autor von "Mein Kampf" als Neuerer auf dem Feld der Literatur nahezubringen sucht. "Immerhin hat Hitler damit ein gewisses Genre begründet, nämlich das, was die Amerikaner eine 'Campagne Autobiography' nennen. Man schreibt Memoiren, bevor man eine Karriere startet und nicht am Ende, wenn man wirklich etwas zu erzählen hätte, sondern, um aus der eigenen Vita heraus deutlich zu machen, warum man was anstrebt. Das war, glaube ich, ein relativer neuer Schachzug damals." Was die Amerikaner ohne Hitler täten, ließ Höbelt offen, und auch der "relative neue Schachzug" des schreibenden Häftlings dürfte nach Höbelt ins Leere gegangen sein, musste er doch feststellen, dessen "Campagne Autobiography ist eines der vielen Bücher, die immer zitiert und nie gelesen werden".

Definitive Antwort auf die Frage "Warum eigentlich immer Hitler?" erteilt schließlich ein Hans-Helmuth Knütter, "Politologe und Buchautor". Schuld sind die "linken Vergangenheitsbewältiger, die ein politisch-ideologisches Interesse an einem neuen Geschichtsbild hatten, mit dessen Hilfe sie ihre sozialistischen und kommunistischen Ziele durchsetzen wollten". Klar: "Deswegen ist dauernde Wiederholung nötig, auch in Zukunft". Fein, dass "Zur Zeit" so schön mitmacht. (Günter Traxler, DER STANDARD, 28./29.4.2012)