Das Projekt Blueseed soll zwischen dem dritten Quartal 2013 und dem ersten Quartal 2014 starten.

Foto: Blueseed

Ein Bett in einer Vier-Bett-Kabine soll 1.200 Dollar (900 Euro) pro Monat kosten, ein Einzelzimmer mit Meerblick 3.000 (2.300 Euro). Darin ist dann auch schon ein Arbeitsplatz inkludiert.

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Vom Codehacker in der elterlichen Garage zum Milliardär - das ist der Traum der Gründer zahlreicher IT-Start-ups. Das vielleicht stärkste Gravitationszentrum für derartige Start-ups ist das Silicon Valley in Kalifornien. Doch Personen ohne US-Staatsbürgerschaft, die eine Firma gründen wollen, haben es schwer, ein Visum zu bekommen.

Zwar gibt es zweijährige US-Visa für Selbstständige, die mehr als 50 Prozent ihrer Firma besitzen. Diese Visa können aber nicht in eine Greencard umgewandelt werden. Zudem sind Bürger mancher Staaten grundsätzlich ausgeschlossen, darunter China, Indien, Russland und Brasilien. Mithin ein erklecklicher Anteil der Menschheit.

Eine zweite Kategorie für Unternehmensgründer mit viel Geld läuft im September aus. Jährlich müssen zehntausende Absolventen von US-Universitäten das Land verlassen, weil sie kein Visum bekommen. Da kann ihre Idee für ein Start-up noch so gut sein.

Lösungsvorschlag Blueseed

Zwei Amerikaner mit Migrationshintergrund gehen nun mit einer visionären Lösung hausieren: Sie möchten Start-up-Gründer auf einem großen Schiff gerade noch außerhalb der US-Hoheitsgewässer unterbringen. Mit relativ einfach erlangbaren Visa könnten sie so ziemlich flott zu Treffen nach San Francisco übersetzen.

Blueseed-CEO Max Marty ist der Sohn zweier kubanischer Einwanderer, Präsident Dario Mutabdzija wurde in Sarajevo geboren und konnte mit seiner Familie dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien entkommen. Er hat unter anderem ein juristisches Studium an der Universität Salzburg absolviert.

Eckdaten

Ihr Projekt heißt Blueseed und besteht im Kern aus einem großen Schiff. Es soll dauerhaft außerhalb eines zwölf Seemeilen-Radius (gut 22 Kilometer) vor der Küste Kaliforniens vor Anker gehen, also gerade nicht mehr innerhalb der US-Hoheitsgewässer. An Bord sollen 1.000 Geeks in einer Art "24/7 Hackathon" wohnen und arbeiten.

Zweimal pro Tag würde eine große Fähre nach San Francisco übersetzen, wobei die Fahrtzeit mit üblichen Anfahrten im Silicon Valley vergleichbar sein soll. Dazu kämen teurere Schnellboote und Hubschrauber für Notfälle. Auf dem Schiff soll es Unterhaltungsangebote und die Möglichkeit zu sportlicher Betätigung geben. Blueseed würde bei Visa-Fragen helfen und Kontakte zu Investoren herstellen.

Die verschiedenen Start-ups an Bord könnten Zusammenarbeiten und einander befruchten. Ist das eigene Unternehmen einmal groß genug, kann sich der Gründer als Mitarbeiter anstellen und so womöglich ein US-Visum ergattern. Dann steht dem Umzug aufs Festland nichts mehr entgegen. Scheitert die eigene Idee, findet man vielleicht gleich am Schiff einen Job.

Rechtliche Lage

Blueseed soll unter der Flagge eines Staates segeln, der der angloamerikanischen Rechtstradition anhängt. Marty und Mutabdzija denken an die Bahamas oder die Marshallinseln. Wie die US-Behörden reagieren werden, ist derzeit nicht klar. Blueseed verspricht aber, eng mit der US-Zoll- und Grenzwache zusammenzuarbeiten und alle Vorschriften der Vereinigten Staaten zu beachten.

Ihre Firmen können die "Bootsmigranten" durchaus legal in den USA registrieren, auch Patente können sie dort anmelden. Für Besuche am Festland könnten, je nach Nationalität, relativ einfach Touristen- oder Business-Visa erlangt werden.

Diese erlauben den legalen Aufenthalt, solange die Person weniger als 180 Tage pro Jahr in den USA verbringt und dort auch kein Geld verdient. Ein Treffen mit Geschäftspartnern im Silicon Valley wäre also erlaubt, zur eigentlichen Arbeit aber eine Rückkehr auf das Blueseed-Vehikel erforderlich.

Nicht für jedermann

Um an Bord leben zu dürfen, braucht man entweder Vitamin B, also Beziehungen und gute Empfehlungen, oder eine sehr gute Business-Idee, die auch das Schiffsmanagement überzeugt. Besucher können für einzelne Nächte buchen.

Die Mieten sollen sich durchaus in Grenzen halten. Ein Bett in einer Vier-Bett-Kabine soll 1.200 Dollar (900 Euro) pro Monat kosten, ein Einzelzimmer mit Meerblick 3.000 (2.300 Euro). Darin ist dann auch schon ein Arbeitsplatz inkludiert.

Im Vergleich zu Wohnungs- und Büromieten in San Francisco ist das durchaus konkurrenzfähig. Alternativ können die Mieter auch mit einer Mischung aus Geld und Aktien am Start-up bezahlen. So würden die Blueseed-Teilhaber am Erfolg ihrer Mieter partizipieren.

Ehrgeiziger Plan

Im dritten Quartal kommenden Jahres soll der schwimmende IT-Brutkasten vor Anker gehen. Vorsichtig ausgedrückt ist das ein ehrgeiziger Zeitplan. Zwar unterstützt Paypal-Mitgründer Peter Thiel die Idee mit einer halben Million Dollar; doch noch fehlt es an Geldgebern mit den erforderlichen 25 Millionen Dollar (19 Millionen Euro).

Folglich mangelt es auch noch am Schiff: Ein ehemaliges Kreuzfahrtschiff könnte umgerüstet, eine einfachere schwimmende Behausung von Erdölfirmen übernommen oder ein eigenes Wasserfahrzeug gebaut werden. Das geht nicht von heute auf morgen.

Technische Innovationen gefragt

Und dann sind da diverse technische Hürden. Zum Beispiel brauchen 1.000 Geeks ordentlich Bandbreite. Bei den auf der Blueseed-Website versprochenen 10 Gigabit pro Sekunde per Laser-Verbindung war wohl mehr der Wunsch Vater des Gedanken.

Mit dem Satelliten-Backup würden sich die Bewohner nicht lange zufriedengeben. Blueseed denkt daher auch über ein Glasfaserkabel und ein Wimax-Mesh aus schwimmenden Funkbojen nach.

In Zeiten, in denen Marskolonien geplant werden, ist Blueseed technisch sicher realisierbar. Aber die eine oder andere Innovation wäre noch zu leisten. Vorausgesetzt, potente Investoren finden gefallen an dem kreativen Projekt. Die über die Website gesammelten Paypal-Spenden werden eher nicht reichen. (Daniel AJ Sokolov, derStandard.at, 28.4.2012)