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Regierungschef Ahmed Ouyahia fordert sein Volk auf, an die Urnen zu gehen.

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"Unser Frühling, das ist Algerien", heißt es auf dem Plakat, mit dem die Bevölkerung auf die bevorstehende Parlamentswahl hingewiesen wird.

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Erinnern Sie sich noch an Helmut Kohls "blühende Landschaften"? Der damalige deutsche Bundeskanzler bestritt mit diesem Slogan seinen ersten Wahlkampf in der ehemaligen DDR. Blühen sollte es in den neuen Bundesländern zwar nicht so schnell, doch den Urnengang gewann der Rekordkanzler aus Ludwigshafen. Das algerische Regime setzt jetzt auf ähnliche Symbolik.

"Unser Frühling, das ist Algerien", heißt es auf dem Plakat, mit dem die Bevölkerung auf die bevorstehende Parlamentswahl am 10. Mai hingewiesen wird. Darauf blüht es in allen Farben. Die Botschaft ist klar: Ein arabischer Frühling ist in Algerien nicht nötig. So, wie es ist, ist es gut.

In Algerien bewegt sich nichts

Anders als beim kleinen Nachbarn Tunesien kam es in Algerien tatsächlich nur zu zaghaften Protesten - von den Unruhen wegen der steigenden Lebensmittelpreise im Januar 2011 einmal abgesehen. Nicht etwa, dass sich die soziale Lage entspannt hätte, die Menschen haben Angst. In Algerien bewegt sich nichts, ohne dass dies eine große Zahl von Toten fordern würde. Das war im Befreiungskrieg so, der vor 50 Jahren zu Unabhängigkeit führte. Das war in den Wochen nach dem Abzug der Franzosen so, als mit all denjenigen abgerechnet wurde, die als Verräter galten. Das war beim Aufstand in der Kabylei, der mehr Selbstbestimmung und ein Mehrparteiensystem als Ziel hatte, erneut der Fall. Auch der Sturz des Einparteiensystems Ende der 1980er Jahre forderte seinen Blutzoll. Und niemand hat die 200.000 Opfer des undurchsichtigen Bürgerkrieges zwischen radikalen Islamisten und alles dominierender Armee in den 1990er vergessen.

Die Regierung weiß die Angst zu nutzen: "Wenn wir nicht wünschen, erneut enthauptet zu werden oder Leute mit Kalaschnikows zu sehen (...) und wenn wir die Unabhängigkeit Algeriens gegenüber der ausländischen Hegemonie wahren wollen, müssen die Algerier massiv an die Urnen gehen und verhindern, dass wir in das dunkle Jahrzehnt zurückfallen", mahnt Regierungschef Ahmed Ouyahia sein Volk, an die Urnen zu gehen.

Doch das wird wohl kaum gelingen. Die Algerier mögen wohl Angst haben, doch das Regime an den Urnen zu legitimieren, das wollen sie nicht. In Algerien glaubt niemand daran, dass das Land der Frühling ist. Vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung gerade einmal bei 36 Prozent. In der Hauptstadt Algier waren es nicht einmal 19 Prozent. (Reiner Wandler, derStandard.at, 27.4.2012)