Das Bild zeigt den Fadenwurm Caenorhabditis elegans, dessen Nozizeptor-Neuron PVD zwei fluoreszierende Proteine exprimiert: GFP (grün) und ChR2::mCherry (rot). Die dünnen Fortsätze von PVD decken die ganze Körperseite ab und können durch unterschiedliche Stimuli gereizt werden.

Foto: AG Gottschalk, Goethe-Universität

Aufgrund seiner Physiologie ist der Fadenwurm Caenorhabditis elegans zwar nicht in der Lage, Schmerz in dem uns bekannten Sinne zu empfinden. Dennoch reagiert er auf unangenehme Reize wie etwa heftigere Berührungen oder niedrige Temperaturen mit Flucht. Frankfurter Biologen haben nun nicht nur die Funktionsweise des Rezeptors erforscht, der dafür verantwortlich ist, sondern erstmals auch die Gene und Proteine, welche die Reizleitung im Neuron verstärken. Die Ergebnisse könnten auch für die Entwicklung von Schmerzmitteln von Bedeutung sein.

Nicht nur harsche Berührung, sondern auch Kälte oder eine stark salzige Umgebung schlägt den Fadenwurm in die Flucht. Um das dafür verantwortliche Nozizeptor-Neuron PVD gezielt anregen zu können, hat die Frankfurter Gruppe von der Goethe-Universität in das Neuron ein Gen für ein lichtempfindliches Protein eingeschleust. So kann die Fluchtreaktion des durchsichtigen Fadenwurms durch Lichtreize stimuliert und quantitativ untersucht werden. Dabei fanden die Forscher um Alexander Gottschalk am Institut für Biochemie heraus, dass C. elegans umso schneller flüchtet, je stärker der Lichtreiz ist. Das zeigt, dass der Fadenwurm verschiedene Abstufungen von "Schmerz" registrieren kann. Es könnte also im Neuron Proteine geben, die zu einer Verstärkung des Reizes führen.

Suche nach den richtigen Genen

Von Kollegen in den USA erhielten Gottschalk und seine Mitarbeiter eine Liste von rund 1.600 Genen und untersuchte diejenigen, die in dem Neuron PVD besonders häufig exprimiert werden. Zieht man nur Gene in die engere Auswahl, die vier Mal häufiger als in anderen Neuronen vorkommen, bleiben noch 240 übrig. Um herauszufinden, welche das "Schmerzempfinden" beeinflussen, unterdrückte Steven Husson, Post-Doktorand am Buchmann Institut und am Institut für Biochemie, die Produktion bestimmter Proteine zeitweilig durch RNA-Interferenz. Bei dieser Methode werden nicht die Gene ausgeschaltet, sondern die messenger-RNA, die den Bauplan der Proteine kopiert (knock down statt knock out).

Tatsächlich konnte Husson mehrere Proteine finden, die in Ionenkanälen vorkommen und daher eine Rolle bei der Reizleitung spielen. Wurden sie nicht exprimiert, nahm das "Schmerzempfinden" des Fadenwurms ab. Ebenso fand er Proteine, die an der Schnittstelle zu anderen Nerven (Synapse) einen positiven Feedback-Mechanismus auslösen, indem sie dafür sorgen, so dass mehr Neurotransmitter ausgeschüttet werden. Das hat zur Folge, dass der benachbarte Nerv stärker stimuliert wird.

"Mit dieser Arbeit haben wir gezeigt, dass man durch Optogenetik nicht nur spezifische Fragestellungen nach der Funktion eines Neurons beantworten kann, sondern auch nach den Gene, die darin aktiv sind", erläutert Gottschalk die Bedeutung der für sein Forschungsgebiet prototypischen Arbeit. Der nächste Schritt besteht nun darin, im Fadenwurm nach Proteinen zu suchen, die auch beim Menschen für die Schmerzempfindung wichtig sind, und diese Ergebnisse dann zunächst bei Mäusen zu testen. (red, derstandard.at, 28.4.2012)