STANDARD: Wie beobachten Sie als Unterrichtsministerin die Pläne der TU Wien, die in den Lehramtsstudien offenbar ein erstes Sparpotenzial gefunden hat und vier streichen will ?

Claudia Schmied: Ich beobachte die Entwicklung an den Universitäten insgesamt mit großer Sorge. Die Uni Wien besetzt die Professur für Politische Bildung nicht nach, es gibt die bekannte Problematik mit dem Bachelor Internationale Entwicklung, und jetzt noch die TU. Für mich zeigt das deutlich, dass es akuten Handlungsbedarf gibt. Es reicht nicht, immer mit dem Etikett "Autonomie" zu winken und damit die Unis in der Mangelwirtschaft alleine zu lassen.

STANDARD:Sie sehen die gepriesene "Autonomie" der Universitäten ja ohnehin sehr kritisch. Warum?

Schmied: Es braucht einen anderen Anspruch von Leitung und Verantwortung - Public Governance. Das betrifft auch die Rechtsun sicherheit, was Studiengebühren anlangt. Das sind alles Punkte, wo man die Unis ziemlich in die Enge treibt - von Rektorat über Senat bis zu Studierenden. Auch die Gesellschaft und die öffentliche Hand muss viel deutlicher machen, was sie will und braucht.

STANDARD: Sie brauchen als Schulministerin genügend Absolventinnen und Absolventen aus den Lehramtsstudien an den Universitäten.

Schmied: Ja, ich brauche dringend Lehrer, vor allem auch im naturwissenschaftlichen Bereich. Zur TU Wien: An sich ist es sehr sinnvoll, Fachbereiche und Kompetenzen zu bündeln. Dass etwa der pädagogisch-didaktische Bereich an den Pädagogischen Hochschulen (PH) konzentriert wird, die dort in einer Lead-Funktion sind, halte ich für sehr sinnvoll. Das ist auch der Grundgedanke unseres Großprojekts gemeinsame Lehrerbildung. Gleichzeitig kann ich aber gerade, was die TU Wien betrifft, auf den Fachbereich der Uni und das spezielle Know-how der Universitäten nicht verzichten.

STANDARD: Was also ist zu tun?

Schmied: Entscheidend ist, dass der Entwicklungsrat, den Wissenschaftsminister Töchterle und ich gemeinsam eingerichtet haben, bis zum Sommer konkrete Vorschläge macht. Einer der Arbeitsaufträge lautet: Erstellung eines gesamtösterreichischen Entwicklungsplans für die Verankerung der neuen Pädagogenbildung. An den pädagogischen Hochschulen haben wir gerade eine Potenzialanalyse am Laufen. Das muss jetzt Lehramt betreffend dringend auch an den Unis geschehen. Dann können wir die Kräfte bündeln.

STANDARD: Wie schwierig ist die Versorgung mit Lehrern im naturwissenschaftlichen Bereich und für Mathematik? Laut EU-Bildungsbericht haben wir da Lehrermangel.

Schmied: Wir haben insgesamt trotz rückläufiger Schülerzahlen in den kommenden zehn bis 15 Jahren eine steigende Nachfrage nach Lehramtsabsolventen, vor allem als Folge unserer bildungspolitischen Maßnahmen - zum Beispiel zwei Lehrer in der Klasse für Deutsch, Mathematik und Englisch in der Neuen Mittelschule. Erfreulicherweise ist der Zulauf zu den pädagogischen Hochschulen sehr stark. Aber wir müssen eben dringend, speziell auch was berufsbildende höhere Schulen betrifft, zu Verbundmodellen zwischen PHs und Unis kommen, um das abzusichern.

STANDARD: Im Hochschulplan, den Minister Töchterle erarbeiten soll, sind die pädagogischen Hochschulen jetzt nicht drin, obwohl er das für sinnvoll hielte. Sollten die nicht gerade wegen der Lehrer hinein?

Schmied: Ich bin für konzentriertes Arbeiten. Wenn ich mir den Hochschulplan ansehe - bis dato sind das nur Fragmente. Wie lange wird da schon daran gearbeitet? Das ist mir zu wenig managementorientiert im Sinne von Ergebnissen. Ich halte es für sinnvoller, sich den Lehramtsbereich - immerhin geht es da um 110.000 Beschäftigte für den Dienstgeber öffentliche Hand - konzentriert anzuschauen, damit wir weiterkommen. Daher können wir das nicht dem Autonomiegedanken und dem freien Spiel der Kräfte überlassen, sondern müssen im positiven Sinn strategisch gestalten.(Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, 26.4.2012)