Ö1-Journalistin Brigitte Fuchs ist Gründerin der Initiative "Rettet das Funkhaus": "Wer Ö1 beschädigt, der macht sich keine Gedanken über die Gebührenlegitimation."

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Das Funkhaus in der Argentinierstraße wurde von 1935 bis 1939 gebaut und beherbergt neben den Sendern Ö1 und FM4 noch das Wiener Landesstudio des ORF. Das Gebäude ist auch Heimstätte des Radio Symphonieorchesters (RSO). Seit Ende der 90er Jahre stehen Teile davon unter Denkmalschutz.

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Das Grundstück in St. Marx, hier auf einer Aufnahme vom November 2010, ist für den ORF reserviert. Ob die Option gezogen wird, soll Ende Juni entschieden werden.

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"Rettet das Funkhaus" nennt sich die Initiative, die Brigitte Fuchs gegründet hat, um Widerstand gegen die Pläne der ORF-Geschäftsführung zu mobilisieren. Die Ö1-Journalistin versammelt in ihrer Facebook-Gruppe 1.278 Mitglieder, die Online-Petition hat bereits 3.620 Unterzeichner (Stand: 25.4.2012, 13:30 Uhr). ORF-General Alexander Wrabetz möchte die drei Standorte Küniglberg, Heiligenstadt und Funkhaus entweder am Küniglberg oder in St. Marx zentralisieren. Im Interview mit derStandard.at erklärt Fuchs, weshalb sie einen Umzug für einen demokratiepolitischen Fehler hält und warum sie überzeugt ist, dass das Funkhaus bleibt.

derStandard.at: Die Facebook-Gruppe "Rettet das Funkhaus" haben Sie alleine gegründet. Die Online-Petition steht auf einer breiteren Basis. Warum?

Fuchs: Ich war früher Betriebsrätin, bin das aber seit einigen Monaten nicht mehr. Bei der Online-Petition war es mir recht, dass der eine oder andere Betriebsrat dabei ist. Mit Fabio Polly, Elisabeth Zimmermann und Gerhard Moser ist das der Fall.

derStandard.at: Hat das einen arbeitsrechtlichen Hintergrund, dass Betriebsräte an Bord sind?

Fuchs: Zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Es soll ein Signal sein, das vom Betriebsrat ausgeht. Ich habe diese Facebook-Gruppe gegründet, nachdem wir am Freitag, 30. März, vor dem Palmsonntag via Aussendung erfahren haben, dass das Funkhaus als Standort geschlossen wird. Ein ähnliches Timing wie die Aussendung vom 23. Dezember, als Niko Pelinka der Büroleiter von Alexander Wrabetz werden sollte. Also ein Zeitpunkt, wo davon auszugehen war, dass es kaum jemand mitbekommt.

derStandard.at: Glauben Sie, dass das System hat, strittige Entscheidungen immer kurz vor den Feiertagen zu kommunizieren, um den Aufschrei geringer zu halten?

Fuchs: Dieser Verdacht drängt sich zumindest auf.

derStandard.at: Es ist aber nicht aus heiterem Himmel gekommen, dass der ORF die Drei-Standorte-Strategie aufgeben möchte und alles zentralisieren möchte. Entweder auf dem Küniglberg oder in St. Marx, oder?

Fuchs: Von der Schließung des Funkhauses war bis jetzt nie die Rede. Den gesamten ORF auf den Küniglberg zu verlagern halte ich für wahnwitzig. Die Bude zerbröselt jetzt schon. Wie soll man da das Funkhaus und Ö3 und orf.at integrieren?

derStandard.at: Und St. Marx als neuer Standort? Könnte man von etwaigen Synergien profitieren?

Fuchs: St. Marx nenne ich Media-Bobohausen, und Synergien heißt nichts anderes als Leute abzubauen, also Menschen um ihren Arbeitsplatz zu bringen.

derStandard.at: Glauben Sie, dass das ein Nebeneffekt eines möglichen Umzugs nach St. Marx ist?

Fuchs: Natürlich, das ist ja der Zweck der Übung. Geplant ist ein zentraler Newsroom, wo Radio, Fernsehen und Online zusammenkommen. Da wird dann die eierlegende Wollmilchsau als Redakteur erfunden. Die gehen um 10 Uhr auf eine Pressekonferenz oder einen Gerichtstermin, werden dann zuerst etwas für online absondern, weil das am schnellsten sein muss, dann kommt die 13-Uhr-"ZiB" als Priorität. Das "Mittagsjournal" auf Ö1 würde unter die Räder kommen. Das heißt, wir werden nicht mehr die Information in der Qualität wie jetzt anbieten können. Das halte ich für demokratiepolitisch falsch. Das ist meine Motivation, die hinter dieser Funkhaus-Initiative steht. Und "Rettet das Funkhaus" ist plakativer, als im Detail zu erläutern, warum man das Funkhaus und vor allem die getrennte Information erhalten sollte.

derStandard.at: Bei einer Zusammenlegung würde die Informationsvielfalt leiden?

Fuchs: Die Journale würden beschädigt werden, und damit würde Ö1 beschädigt werden. Und wer Ö1 beschädigt, der macht sich keine Gedanken über die Gebührenlegitimation. Ich bin der Meinung, dass Ö1 einen großen Teil davon rechtfertigt. Tag für Tag. Die Informationssendungen sind die Lokomotive für den Rest des Programms. Wenn wir im journalistischen Einheitsbrei angekommen sind, ist das schlecht für das ganze Land. Der ORF ist das mit Abstand größte Medienunternehmen. Ö1 gehört dazu. Der Sender ist ein Unikum in ganz Europa, es gibt keinen zweiten Kultursender, der so viele Hörer hat. Wenn man die Information mit TV, Ö3, orf.at zusammenlegt, dann ist die Eigenständigkeit, die Ö1 auszeichnet, beim Teufel.

derStandard.at: Könnten nicht durch Synergien auch Freiräume entstehen?

Fuchs: Das halte ich für unmöglich. Wenn man Redaktionen zusammenlegt, die sowieso alle personell aus dem letzten Loch pfeifen, dann werden noch weniger Dienstposten nachbesetzt. Die TV-Redakteure werden jetzt schon angehalten, das zu tun, was wir schon länger machen: nämlich die technische Produktion, Schnitt und so weiter. Das heißt, es werden auch Technikarbeitsplätze wegfallen. Wir sind schon jetzt immer an der Grenze, weil wir ständig personell unterbesetzt sind. Entweder ich stelle Sendungen ein oder sie werden erheblich schlechter, weil Zeit für die Recherche und für die Bearbeitung fehlt. Das Produkt kann nicht besser werden. Deswegen die Initiative, auch wenn manche Leute am Küniglberg der Ansicht sind, dass jene, die hierbleiben wollen, verschrobene, verstaubte Leute sind.

derStandard.at: Spüren Sie Anfeindungen vom Küniglberg?

Fuchs: Nicht unbedingt, es gibt auch genügend Leute am Küniglberg, die unsere Initiative unterstützen.

derStandard.at: Manche interpretieren Ihre Initiative wahrscheinlich als Affront gegen die Geschäftsführung.

Fuchs: Ich kenne das Rundfunkgesetz sehr gut, genauso wie die Programmrichtlinien, das Redakteursstatut und das Arbeitsgesetz. In den 80er Jahren, bevor ich als Korrespondentin nach Washington gegangen bin, war ich Redakteursratsvorsitzende. Also habe ich da eine Ahnung.

derStandard.at: Bewegen Sie sich mit der Initiative innerhalb der Grenze?

Fuchs: Immer.

derStandard.at: Der ORF hat vor kurzem Social-Media-Richtlinien verabschiedet, die vorgeben, wie man sich als ORF-Mitarbeiter auf Facebook oder Twitter präsentieren soll. Der Sender soll nicht schlechtgemacht werden. Ist Ihre Facebook-Initiative unternehmensschädigend?

Fuchs: Nein, denn jeder kann nachschauen, was ich etwa über Martin Biedermann schreibe. Der Kommunikationschef ist ja mein Lieblingsfreund im ORF. Ich schreibe "Seid ja nicht garstig zu ihm" und lobe ihn am laufenden Band.

derStandard.at: Alles ironisch?

Fuchs: Manche Leute sind für Ironie zugänglich, manche nicht. Vorige Woche wollte der "Falter" eine Funkhaus-Reportage mit Fotos machen, auch architektonisch. Biedermann hat sich mit "Falter"-Journalist Florian Klenk einen Schlagabtausch auf Twitter geliefert. Vor Ostern hat er auf Twitter geschrieben, dass ihm der Nostalgie-Staub des Funkhauses auf die Nerven geht. Meine Antwort war, dass es daran liegt, dass bei uns sogar Raumpfleger eingespart werden.

derStandard.at: Sie sehen also keinen Widerspruch zwischen den Social-Media-Richtlinien und der Facebook-Aktion?

Fuchs: Nein, überhaupt nicht, ganz im Gegenteil. Ich sage nur das Beste über das Funkhaus und Biedermann, über Wrabetz äußere ich mich nicht.

derStandard.at: Sie fallen der Geschäftsführung nicht in den Rücken?

Fuchs: Loyalität kann keine Einbahnstraße sein. Die Geschäftsführung richtet uns regelmäßig über Zeitungen aus, was mit uns, den Mitarbeitern, passieren soll, ohne mit uns zu sprechen. Ich mache meine Programme, mache das ordentlich, und die Einträge auf Facebook mache ich in meiner Freizeit. Diese Social-Media-Richtlinien sind ja nur eine Empfehlung.

derStandard.at: Und von möglichen Sanktionen ist auch nicht die Rede.

Fuchs: In letzter Zeit passiert es öfters, dass sich Leute nicht an Gesetze halten, weil sie zum Beispiel versuchen, Bestellungen ohne Ausschreibung vorzunehmen, oder Organisationsänderungen in die Wege leiten wollen, ohne den Betriebsrat rechtzeitig zu informieren. Sie haben eh den permanenten Wickel mit der Redakteursvertretung und dem Betriebsrat, ich glaube nicht, dass sie noch einen privaten Wickel mit mir anfangen wollen.

derStandard.at: Abgesehen von der Information, die aus Ihrer Sicht leiden würde: Was spricht noch für das Funkhaus als Standort?

Fuchs: Das Funkhaus ist von Clemens Holzmeister als Funkhaus gebaut worden. Technisch wurde es immer adaptiert, es ist auf dem letzten Stand. Es ergibt keinen Sinn, es zu schließen. Ein Trakt steht außerdem noch unter Denkmalschutz, man kann ihn nicht verändern. Die kolportierten Pläne für die Nachnutzung reichen von der Technischen Universität, die das Haus kaufen will, über ein Privatkrankenhaus bis zu einem Luxushotel. Man soll es so belassen. Für uns ist es ein zentraler Ort, was für Redakteure der Journale sehr wichtig ist.

derStandard.at: Das spricht gegen den Küniglberg, aber St. Marx ist ja nicht aus der Welt.

Fuchs: Man geht dort von dem Standort, der zur Debatte steht, 15 bis 20 Minuten bis zur nächsten U-Bahn. Das Grundstück liegt direkt an der Tangente. Man bräuchte sogar schalldichte Fenster, die kann man dann halt nicht aufmachen.

derStandard.at: Bis zur Straßenbahnstation ist es aber nicht weit.

Fuchs: Ja, die 18er verkehrt zum Beispiel ungefähr alle 20 Minuten. Hier, beim Funkhaus, ist man gleich bei der U1-Station Taubstummengasse und wenige Minuten später beim Stephansplatz. Das ist ein großer Unterschied.

derStandard.at: Sind zum Teil auch irrationale Argumente im Spiel? Es ist oft von Gefühlen, der Aura des Ortes die Rede.

Fuchs: Ja, sicher auch. Jedes Haus hat seinen eigenen Geist, eine Seele. Das ist schwer zu erklären, aber dieses Haus hat Seele und es hat einen sehr guten Korpsgeist, etwa zwischen Redakteuren und Technik oder zwischen Ö1 und FM4. Das ist uns wichtig, das wollen wir erhalten. Es gibt so viele Sachen, die nicht überlegt wurden. Zum Beispiel, was passiert mit dem großen Sendesaal? Was mit den Hörspiel-Studios, die auch unter Denkmalschutz stehen? Mit dem Studio 2 und 3, wo Musikproduktionen stattfinden? Ich kann mir nicht vorstellen, dass man in St. Marx oder auf dem Küniglberg einen großen Sendesaal hinstellt, der alle Stücke spielt, so wie unserer.

derStandard.at: Und wenn am neuen Standort adäquate Studios und Säle errichtet werden?

Fuchs: Ich glaube nicht, dass das in Planung ist. Gehen wir einmal von den Kosten aus. Die preiswerteste Variante ist die Erhaltung des Status quo. Der Küniglberg muss so oder so saniert werden, ob St. Marx kommt oder nicht. Auf 30 Jahre gerechnet ist vielleicht St. Marx günstiger, aber nur wenn entsprechend Mitarbeiter eingespart werden. Da sind wir wieder bei den Synergien.

derStandard.at: Wrabetz hat sich dezidiert gegen die Drei-Standorte-Strategie ausgesprochen. Glauben Sie trotzdem, dass das Funkhaus bleiben wird?

Fuchs: Ja.

derStandard.at: Die Entscheidung über den Standort soll der Stiftungsrat Ende Juni treffen. Gesetzt den Fall, das Funkhaus fällt, würden Sie trotzdem weiter mobilisieren?

Fuchs: Ja, aber in welcher Form, verrate ich nicht.

derStandard.at: Mit den Mitarbeitern und auf breiter Basis?

Fuchs: Das hat nicht nur etwas mit den Mitarbeitern, sondern auch mit den Hörern zu tun.

derStandard.at: Sie wollen über das Programm die Hörer mobilisieren und prominente Unterstützer vor den Vorhang holen, die sich zum Funkhaus bekennen?

Fuchs: Wir haben ein breites Spektrum. Ich bin überzeugt, dass die Hörer mehrheitlich für das Funkhaus sind. Die Leute, die die Online-Petition unterzeichnen, sind in erster Linie unsere Hörer.

derStandard.at: Das klingt so, als wenn Sie überzeugt wären, dass das Funkhaus bleibt.

Fuchs: Ja, das bin ich. (Oliver Mark, derStandard.at, 25.4.2012)