Wien - Der Kreis der Verdächtigen ist nicht gerade klein. Mindestens zehn bis zwölf Mitarbeiter des Finanzministeriums waren am 7. Juni 2004 im goldenen Salon des Ministeriums, als die Angebote für den Kauf von rund 60.000 Buwog-Wohnungen präsentiert wurden. Das sagte der frühere Kabinettschef von Exfinanzminister Karl-Heinz Grasser, Heinrich Traumüller, am Dienstag im Korruptions-U-Ausschuss aus.

Warum dieses Faktum brisant ist? Weil bei der Sitzung erwähnt wurde, dass der Bieter CA Immo nur über eine Finanzierungsgarantie von 960 Millionen Euro verfügte. Wenige Tage später besserte das Konkurrenzkonsortium um Immofinanz und Raiffeisenlandesbank OÖ ihr Angebot auf 961 Millionen (von zunächst nur 837 Millionen) nach. Den Tipp gaben, wie berichtet, zwei Grasser-Vertraute, die Lobbyisten Walter Meischberger und Peter Hochegger, die dafür fast zehn Millionen Euro an Provision lukrierten.

Traumüller: "Saubere Vergabe"

Die "Optik ist tatsächlich spannend", wie Traumüller einräumte. Allerdings sei es international üblich, dass es im Finale einer Vergabe eng werde. Warum man überhaupt eine Nachfrist setzte? Hier sei der Minister dem Rat der Experten gefolgt. Wer genau bei der besagten Sitzung am 7. Juni 2004 anwesend war, ließ sich nicht klären. Protokoll gibt es offenbar keines. Traumüller versprach aber, nochmals drüber nachzudenken.

Die Justiz geht dem Verdacht nach, ob Grasser selbst seinem Trauzeugen Meischberger die Info gab. Auch Traumüller wird als Beschuldigter geführt. Alle bestreiten die Vorwürfe entschieden. Vor Gericht gab Meischberger sogar an, 100 Leute hätten über den Finanzierungsrahmen der CA Immo Bescheid gewusst.

Wie Grasser vor einer Woche sprach Traumüller von einer "sauberen" und " korrekten" Vergabe. Warum sein früherer Kabinettskollege Michael Ramprecht von einem "abgekarteten Spiel" sprach, das schon bei der Auswahl von Lehman Brothers als Privatisierungsabwickler begann, konnte sich Traumüller nicht erklären.

Zur Erinnerung: Bei einer Sitzung der Vergabekommission am 5. September 2002 sprachen sich die meisten der neun Mitglieder für den Lehman-Konkurrenten CA IB aus. Traumüller protokollierte das sogar. Als ihn der Grüne Peter Pilz bat, seine Kommentare vorzulesen, versagten bei Traumüller aber plötzlich die Sehkräfte. "Ich habe meine Brille nicht dabei." Ramprecht behauptet, die Kommission "umgedreht" zu haben. Auch der Vorsitzende der Kommission, Wilfried Trabold, beklagte sich vor der Justiz über den Schwenk.

Vorabinformation

Traumüllers Darstellung: Am 5. September habe man nur diskutiert, nicht abgestimmt. Es habe eine Stimmung wie bei einem Ländermatch geherrscht, getragen von "Patriotismus" für den Österreich-Anbieter CA IB. Beratende Professoren hätten aber vergaberechtliche Zweifel angemeldet. Zwar seien die Kosten bei CA IB um rund drei Millionen niedriger gewesen, qualitativ sei das Angebot aber deutlich schlechter gewesen. Daher sei die Abstimmung am 6. September mit sechs zu drei für Lehman ausgegangen - und nicht wegen illegaler Absprachen.

CA-IB-Vertreter Klaus Requat glaubt das freilich nicht. Laut ihm wurde er vom Lehman-Mann Karlheinz Muhr, auch ein Grasser-Freund, schon einige Tage vor der Entscheidung über das Ergebnis informiert. Darum habe man zähneknirschend zugestimmt, ein Subauftragnehmer von Lehman zu werden. Ein Vertragsentwurf für die Einbindung der CA IB wurde laut Pilz bereits am 6. September von Lehman in London nach Wien übermittelt - und zwar rückdatiert auf den 4. September. Pilz ortet daher eine "Fälschung". (Günther Oswald, DER STANDARD, 25.4.2012)