Foto: http://www.kamarinia.gr

Das nennt man wohl "electoral engineering", Türschlüssel im eigenem Haus umdrehen oder Großeltern zum Spazieren schicken, damit das Wahlergebnis am 6. Mai stimmt. So etwas macht jetzt auf griechischen Internetseiten die Runde: "6. Mai. An diesem Tag sperren wir alle Opas und Omas, die Pasok und Nea Dimokratia wählen, zu Hause ein", heißt der Aufruf, der zum Beispiel auf dem Portal kamarinia.gr zu finden ist. Ein origineller Vorschlag, der einmal mehr zeigt, wie groß die Verachtung gegen die beiden etablierten Parteien ist, die sich 30 Jahre lang im Maximou, dem Amtssitz des Premiers in Athen, die Klinke in die Hand gegeben haben.

Die Frage ist allerdings, ob die griechischen Senioren mit ihren Wahlreflexen in knapp zwei Wochen nicht weit weniger Schaden anrichten werden, als die arbeitslose Jugend und die schwer spargeschädigte Generation der 40- und 50-Jährigen. Bei den ungewöhnlichsten Parlamentswahlen, die Griechenland seit dem Sturz der Junta 1974 erlebt, kassieren die Extremisten groß ein, so sagen alle Umfragen voraus. Neofaschisten und die radikale Linke Syriza ziehen dabei vor allem junge Wähler an, der Milliardär und Rechtspopulist Panos Kammenos ebenso wie die Beton-Kommunisten der KKE dafür die Elterngeneration. Nieder mit Deutschland, raus aus dem Euro, Immigranten ab ins Meer sind je nach Couleur die Wahlargumente. Na bravo.

Ein Kettenmail der Oma-und-Opa-Wegsperrer will etwaige Gewissensbisse beruhigen: Es sei keine Schande, den Ausweis der Großeltern zu verstecken, die Nea Dimokratia, Pasok, die Orthodoxe Nationalbewegung Laos oder den liberalen Kleinklub von Dora Bakoyannis, der früheren Außenministerin und Athener Bürgermeisterin, wählen. "Wir nehmen den Personalausweis von denen weg, die entweder aus Unwissenheit oder Gewohnheit diese Parteien wählen werden. Die Zukunft des Landes gehört uns und nicht denjenigen, die diese trügerische Welt bald verlassen werden." Sehr wahrscheinlich ist der Plan der Jugend aber schon aufgeflogen, denn auch griechische Senioren schauen ins Internet. Gelingt den übrigen rüstigen Herrschaften am 6. Mai die Flucht aus dem Fenster oder können sie beim Zwangsspaziergang am Wahlsonntag doch noch ins Wahllokal abbiegen, dann steht wohl eine wacklige Mehrheit für eine Koalition der konservativen Nea Dimokratia und der Sozialisten von der Pasok. Wohlgemerkt, eine Mehrheit an Sitzen im Parlament. Denn die Partei mit dem größten Stimmanteil – laut Umfragen die ND mit rund 20 Prozent – erhält einen Bonus von 50 Sitzen. Gemessen am Stimmergebnis wird wohl das Lager der Sparkursgegner gewinnen. (Markus Bey, derStandard.at, 24.04.2012)