Wien - Schwere Vorwürfe erhebt der ORF-Redakteursrat in seiner Montag eingebrachten Beschwerde an die Medienbehörde gegen den Unternehmenschef. Die KommAustria möge entscheiden, dass ORF-General Alexander Wrabetz mit politischen Absprachen und öffentlichen Erklärungen vor der Ausschreibung über Thomas Prantner als Onlinechef und Technikvizedirektor das ORF-Gesetz verletzt hat. Auch die für den neuen Job festgelegten Kompetenzen widersprächen dem Gesetz. Die Behörde möge die Bestellung aufheben.

Doppelte Zuständigkeiten

Der Redakteursrat moniert auf acht Seiten etwa doppelte Zuständigkeiten: Mitarbeiter der Hörfunkdirektion füllten aktuelle Teletextseiten mit aktuellen Inhalten; Beschäftigte der ORF-Onlinetochter ORF.at und andere Onlineangebote. Journalisten der Fernsehdirektion erstellten jene Beiträge, die auf der ORFtvthek gezeigt, von deren Mitarbeitern aber teils umgetitelt würden. Zugleich ordne der General die Gesamtverantwortung für Webauftritte dem neugeschaffenen Technikvize Prantner zu.

Wunschkandidat "rechtswidrig"

Die Redakteure kritisieren "diffuse Kompetenzlage", die "eine Einschränkung ihrer Rechte und eine Gesetzesverletzung bedeute". Sie beschweren sich über eine "Missachtung der journalistischen Unabhängigkeit", den Redakteursrat nicht gemäß Statut in die Besetzung eines Jobs mit journalistischen Kompetenzen einzubinden. Schon vor der Ausschreibung den Wunschkandidaten öffentlich zu nennen sei "rechtswidrig", ebenso eine politische Absprache darüber. Da berufen sie sich auf einen Stiftungsrat. 

Die ORF-Führungsebenen und der Stiftungsrat weisen die Kritik zurück. "Unter dem Deckmantel vermeintlicher Mitwirkungsrechte werden einmal mehr einzelne Mitarbeiter und der ORF denunziert", erklärte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bereits vergangene Woche. Wrabetz erzwinge geradezu eine "Belehrung durch die KommAustria", wenn er "gesetzlich garantierte Mitwirkungsrechte für 'vermeintliche' hält, erwidert Redakteursratsvorsitzender Fritz Wendl. "Warum nicht das Verletzen des Gesetzes, sondern das Anrufen der für die Einhaltung des Gesetzes zuständigen Behörde 'zu weit' gehen sollte, das ist wohl ausschließlich mit der Logik von das ORF-Gesetz immer wieder ignorierender Stiftungsratsmitglieder vereinbar", so Wendl. (fid/red/APA, DER STANDARD, 24.4.2012)