Wien - Die Mühlen der Justiz mahlen langsam: Bald fünf Jahre nach Beginn des ersten BAWAG-Strafprozesses im Juli 2007 muss nun das Verfahren zum großen Teil wiederholt werden. Da das erstinstanzliche Urteil von Richterin Claudia Bandion-Ortner vom Obersten Gerichtshof (OGH) im Dezember 2010 in großen Teilen wegen formeller Mängel gekippt worden war, müssen nun acht der neun Angeklagten wieder vor den Richter treten. Beim zweiten BAWAG-Prozess, der am Mittwoch, 25. April im Wiener Straflandesgericht beginnt, führt Christian Böhm den Vorsitz.

Angeklagt sind der in New York lebende Investmentbanker Wolfgang Flöttl, Sohn des verstorbenen BAWAG-Generaldirektors Walter Flöttl. Wolfgang Flöttl soll BAWAG-Gelder in Milliardenhöhe verspekuliert haben. Weiters auf der Anklagebank sitzen die früheren BAWAG-Vorstände Peter Nakowitz, ehemals "rechte Hand" von Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner, sowie die Bank-Vorstände Christian Büttner, Hubert Kreuch und Josef Schwarzecker. Auch Ex-BAWAG-Aufsichtsratspräsident Günter Weninger und Ex-BAWAG-Wirtschaftsprüfer Robert Reiter sind noch immer beschuldigt.

Elsners Pensionsabfindung

Der Hauptangeklagte des ersten Prozesses, Ex-BAWAG-Chef Helmut Elsner, steht diesmal nur wegen einer Subsidiaranklage der BAWAG wieder vor Gericht. Er kann keine zusätzliche Haftstrafe bekommen, da er bereits zur Höchststrafe rechtskräftig verurteilt worden ist. Die BAWAG will sich Elsners Pensionsabfindung zurückholen und erhofft sich von der Subsidiaranklage Unterstützung für ihr zivilrechtliches Anliegen. Elsner wird erst am vierten Prozesstag, dem 2. Mai, erstmals bei der Verhandlung dabei sein. Im ersten Verfahren war er zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, von denen er viereinhalb Jahre abgesessen hat (unter Einberechnung der Untersuchungshaft). Aus gesundheitlichen Gründen ist der heute 76-Jährige im Juli 2011 für haftunfähig erklärt worden, eine Prüfung seiner Haftunfähigkeit läuft gerade.

Zwettler nicht mehr angeklagt

Johann Zwettler, Elsners Nachfolger an der BAWAG-Spitze, ist als einziger der ursprünglich neun Angeklagten diesmal nicht mehr angeklagt. Er ist im ersten Verfahren bereits rechtskräftig zu fünf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden. Im Gefängnis saß er nicht, da er aus gesundheitlichen Gründen für haftunfähig erklärt worden ist. Für den 4. Mai ist er als Zeuge zum zweiten BAWAG-Prozess geladen.

Ermittelt wird zum Vorwurf der Untreue (Paragraf 153 StGB) bzw. Beihilfe: Die frühere Gewerkschaftsbank hatte Flöttl bzw. dessen Karibik-Firma Gelder überlassen, die dieser nach eigenen Angaben bei riskanten Finanzspekulationen verloren hat. Flöttl beteuerte im ersten BAWAG-Prozess, das Geld sei weg. Elsner wirft bis heute dem Sohn seines Vorgängers an der Bankspitze vor, er habe Geld unterschlagen und für sich behalten - ein Vorwurf, den Flöttl entschieden zurückweist. Das Ausmaß des Schadens, der durch die Untreue begangen wurde, ist vom Obersten Gerichtshof reduziert worden. Elsner war für einen Schaden von 1,2 Mrd. Euro bestraft worden. Ursprünglich war von einem Schaden von 1,72 Mrd. Euro ausgegangen worden.

Verluste vertuscht

Die BAWAG-Führung hatte versucht, die Verluste zu vertuschen. Als die Karibik-Spekulationen in Folge des Zusammenbruchs des US-Brokers Refco überhaupt erst bekanntwurden, führte dies letztlich zum Verkauf der Gewerkschaftsbank an den US-Hedgefonds Cerberus.

Neuer Richter

Ob auch das zweite Verfahren wieder zu einem Mega-Prozess wird, wird an der Verhandlungsführung von Richter Böhm liegen. Im ersten Verfahren hatte Richterin Bandion-Ortner erst am 117. Prozesstag das Urteil verkündet. Sie hatte von Mitte Juli 2007 bis Anfang Juli 2008 die Causa in vielen Facetten vor Gericht ausgebreitet. Zahlreiche prominente Zeugen wurden damals befragt, von Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (F/V), Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky (S), Milliardär Martin Schlaff bis zu den früheren ÖGB-Präsidenten Rudolf Hundstorfer und Fritz Verzetnitsch sowie dem Ex-BAWAG-Chef und nunmehriger Nationalbank-Präsident Ewald Nowotny. (APA, 22.4.2012)