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Wenn die internationale Schutztruppe Afghanistan verlässt, wollen die NATO-Staaten für die Sicherheit des Landes weiterzahlen: Rund vier Milliarden Dollar pro Jahr soll das kosten.

Foto: REUTERS/Baz Ratner

Brüssel/Straßburg - Die Nato baut weiter darauf, dass Russland sich an der Errichtung eines gemeinsamen Raketenabwehrsystems beteiligen wird, wie das beim letzten Gipfeltreffen der Allianz Ende 2010 in Lissabon in Aussicht gestellt worden war. Diese Hoffnung brachte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen Donnerstag am zweiten Tag der Nato-Frühjahrstagung in Brüssel zum Ausdruck. Sie dient der Vorbereitung des Gipfels in Chicago Ende Mai.

"Diese Zusammenarbeit könnte unsere Beziehung verändern und unser aller Sicherheit stärken", sagte der Däne bei einem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow. Es sei sinnvoll, zur wirksamen Abwehr einer gemeinsamen Bedrohung zusammenzuarbeiten. Moskau zeigt sich skeptisch, lehnte das Abwehrsystem (das gegen Raketen aus Staaten wie dem Iran oder Nordkorea gerichtet sein soll) von Anfang an als Bedrohung Russlands ab.

Laut Rasmussen mache man beim Aufbau des Systems gute Fortschritte. Es wird im Wesentlichen von den USA gestellt. Ob die Einsetzbarkeit bereits in Chicago verkündet wird, ließ er offen. Experten gehen davon aus, dass man begrenzte Verfügbarkeit erklären wird, mit dem Kommando auf dem Nato-Stützpunkt in Ramstein in Deutschland.

Putin kommt nicht

Die Tatsache, dass der neu gewählte russische Präsident Wladimir Putin nicht am Nato/Russland-Gipfel in Chicago teilnehmen wird, deutet darauf hin, dass man sich beim Raketensystem noch etwas Zeit geben könnte. Dies fügt sich ins Bild, wonach US-Präsident Barack Obama vor den Präsidentenwahlen im Herbst keinen Pakt mit Russland wolle. Vor wenigen Wochen hatte Obama für Aufregung gesorgt, als er Putin über seinen Vorgänger Dmitri Medwedew bei einem Besuch in Washington zuflüsterte, dass er "nach den Wahlen mehr Spielraum" habe.

Putin ist nicht der Einzige, der für Chicago absagt: Auch Bundeskanzler Werner Faymann, der als "Vertreter von zehn wichtigen Nato-Partnern" eingeladen war, sagte den US-Trip ab. Verteidigungsminister Norbert Darabos (als dienstältester EU-Verteidigungsminister und Delegationsleiter) und Staatssekretär Wolfgang Waldner vertreten ihn.

Gemeinsames Benelux-Heer

Das wichtigste Thema des Nato-Treffens neben der Raketenfrage ist der für 2014 geplante Abzug der Isaf-Schutztruppe aus Afghanistan. Die Nato-Außenminister kamen überein, dass Kabul ab 2014 umfassende finanzielle Hilfe zum Aufbau der eigenen Sicherheit erhalten wird: rund vier Milliarden Dollar pro Jahr.

Der Druck zur Verringerung der Verteidigungsausgaben dürfte indes zu einem neuen Minibündnis in den Beneluxstaaten führen. Die Niederlande, Belgien und Luxemburg unterzeichneten einen Pakt für engere Militärkooperation.

Dieses soll längerfristig den Weg zu einer "Benelux-Armee" ebnen, erklärte der niederländische Verteidigungsminister Hans Hillen, als Vorbild für andere EU-Staaten. Die Niederlande und Belgien teilen seit 1996 ein Marinekommando und stimmen den Rüstungskauf ab. Gemeinsame Luftraumüberwachung und Truppenausbildung, könnte folgen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 20.4.2012)