Eine Exkursion mit brunnenwassergekühlten EDV-Systemen, Konzertsälen und Passivhäusern in den Tropen.

Bis vor kurzem lag Österreich 32 Tonnen an CO2-Äquivalenten über dem anvisierten Klimaziel. Mit der Lösung von Umweltminister Berlakovich, sich mit günstigen Ramsch-Zertifikaten aus dem Ausland freizukaufen, ist die Umweltorganisation Global 2000 nicht glücklich. Wie mit thermischer Gebäudesanierung tatsächlich Treibhausgase verringert werden können, ließ die NGO in einer Studie der TU Wien berrechnen. 3,6 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten können laut den Ergebnissen allein bei öffentlichen Gebäuden eingespart und gleichzeitig 6.100 neue Jobs geschaffen werden. Gemeinsam mit Architekten und Bauträgern stellte Global 2000 Best-Practice-Modelle energieeffizienter Sanierung in Wien und Umgebung vor.

Foto: derStandard.at/Michael Matzenberger

"Es ist das von den ökologischen Standards her wahrscheinlich bestsanierte Gründerzeithaus überhaupt", sagt Bauträger Hans-Jörg Ulreich über das Gebäude in der Wissgrillgasse 10 in Wien-Penzing. Das Haus befindet sich direkt an der Westbahnstrecke, weshalb die bei der Renovierung aufgesetzte Dachetage einer Lok nachempfunden wurde. Die Nutzfläche wurde von 1.100 auf 1.900 Quadratmeter vergrößert.

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Für die thermische Sanierung wurde die gesamte Fassade abgetragen und nach der Dämmung neu angelegt. Die alten Fenster wurden mit Passivstandard-Fenstern getauscht, in jedem Stock Lüftungsgeräte und am Dach eine Photovoltaikanlage installiert. Das Kernstück aber befindet sich im Keller: Eine zentrale Heizanlage mit Pelletskessel, die die Wohnungen mit nachhaltiger Wärme versorgt.

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Vor der Sanierung war für das Haus ein Heizenergiebedarf von rund 186 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr (kWh/m2a) notwendig, seither liegt er bei 23 kWh/m2a. Zum Vergleich: Damit ein Neubau den Passivhaus-Kriterien entspricht, darf es einen Wert von höchstens 15 kWh/m2a erreichen. Die CO2-äquivalenten Emissionen konnten von 92,6 auf 1,7 kg/m2a gesenkt werden.

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Global-2000-Klimasprecher Johannes Wahlmüller, Bauträger Hans-Jörg Ulreich und Arch+More-Architekt Gerhard Kopeinig (von links nach rechts). An den Rechtsvorschriften bei Sanierungen lässt Ulreich kein gutes Haar. "Die meisten Regelungen stammen aus den 70er und 80er Jahren, als die Stadt geschrumpft ist. Heute wächst Wien um 15.000 Menschen im Jahr und viele Gesetze sind zu Hürden geworden". Zudem gebe die Stadt den Bauträgern kaum Anreize, anstatt eines Generalneubaus ökologisch sinnvoll zu sanieren. "Wenn wir jetzt nicht umdenken, ist das eine vertane Chance für die nächsten vierzig Jahre", stimmt ihm Kopeinig bei.

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Station zwei: die Hauptschule Langenzersdorf nördlich von Wien. AH3 Architekten gewann die Ausschreibung zur Renovierung der in ihren Grundmauern 134 Jahre alten Schule. Ursprünglich sollte sie nicht nach besonderen Energiestandards erfolgen. Geschäftsführer Johannes Kislinger konnte Direktor und Bürgermeister aber von einer thermischen Sanierung nach Passivhausstandards samt Einbau einer Photovoltaikanlage und eines Lüftungssystems überzeugen. Die Gesamtkosten für das Projekt stiegen um 10 Prozent.

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Der Energiebedarf für die Beheizung der Schule konnte dadurch aber um 94 Prozent gesenkt werden, erklärt Kislinger bei der Heizanlage im Keller. Bis 2015 fließt noch Gas durch das System, weil der vorzeitige Ausstieg aus einem im Jahr 2000 abgeschlossenen Energieliefervertrag nicht realisierbar war. Man müsse aber nur einen Schalter umlegen und schon würden die 3.600 Quadratmeter Schulnutzfläche mit nachwachsenden Rohstoffen beheizt, meint Kislinger.

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Auch wenn Österreich international zu den Vorreitern bei der thermischen Sanierung gehöre, zeige sich gerade bei Schulen, dass der Stellenwert nachhaltiger Projekte in der Praxis häufig noch gering ist, sagt Gerhard Kopeinig: "Der Bund errichtet oder kauft als Träger möglichst billige Liegenschaften und nimmt hohe Energie- und Betriebskosten in Kauf, die dann im laufenden Schulbetrieb von den Gemeinden getragen werden müssen." Ökologisch sinnvoller und nach wenigen Jahren auch günstiger wäre genau der umgekehrte Weg.

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Den internationalen Ruf Österreichs bei Niedrigenergietechnologien verteidigt auch Johannes Kislinger. "Die österreichische Botschaft in Jakarta ist das erste nach Passivhausstandards errichtete Gebäude in den Tropen. Mit den Isolierungen wird dort statt der Wärme die Kälte innerhalb des Gebäudes gehalten." Trotzdem gebe es hierzulande noch viel Arbeit zu leisten, meint der Architekt, denn wie so oft gelte der Prophet im eigenen Land nichts.

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Nach der Sanierung ist die Hauptschule Langenzersdorf ein nach den Richtlinien der EU-Kommission zertifiziertes "Green Building". Auch die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (ÖGNB) bewertete das Haus, und zwar nach dem "anspruchsvollsten Gebäudebewertungssystem" des Landes. Von 1.000 möglichen Qualitätspunkten erreichte das Schulgebäude 929 - ohne den bestehenden Gasliefervertrag wäre der Rekord in dieser Kategorie noch deutlicher ausgefallen, sagt Kislinger.

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Der EDV-Saal gehört in den meisten Schulen zu den Räumen mit dem höchsten Energiebedarf. In Langenzersdorf werden die Temperaturen der Rechner mit einer Brunnenwasserkühlung geregelt.

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Im Rahmen der Sanierung wurden im laufenden Schulbetrieb in allen Klassen die Decken tiefergelegt, um den Heizbedarf zu minimieren. Auch die Unterrichtsmittel in den Klassenzimmern sind modernisiert worden. Rechts: Wandtafel mit Kreidehalter (20. Jahrhundert und früher), vorne: Beamer mit Touch-Screen-Wandschirm und integriertem USB-Anschluss (21. Jahrhundert).

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Einige Kilometer weiter nördlich liegt der Bildungscampus Leobendorf. Er wurde ebenfalls von AH3 Architekten saniert und unterschreitet seither die Grenzwerte für Passivhäuser. 650 Kinder nutzten den Campus während der Bauphase von Herbst 2008 bis Frühjahr 2010.

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Teil des Bildungscampus ist nicht nur eine Kunstinstallation, sondern auch eine Volksschule, eine Musikschule, ein Kindergarten, ein Hort und Einrichtungen zur Erwachsenenbildung. Die zum Teil frei stehenden Gebäude auf einer Gesamtnutzfläche von 4.100 Quadratmetern erhielten eine hochwärmedämmende Isolation. Wenn heute Warmwasser durch die Leitungen fließt, wurde es zuvor durch Sonnenkollektoren erwärmt.

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Eine besondere Herausforderung lag bei der Sanierung der Musikschule in der Isolierung und Belüftung des Konzertsaals und der Probesäle: Größere Schwankungen bei Temperatur und Luftfeuchtigkeit verstimmen erfahrungsgemäß Instrumente und Musiker.

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Der Heizwärmebedarf des Bildungscampus Leobendorf wurde massiv gesenkt und übersteigt heute keine 13,9 kWh/m2a. Der Restbedarf wird durch eine einfache Hackschnitzelheizung gedeckt, wie sie auch in privaten Einfamilienhäusern anzutreffen sind.

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Um die Debatte über nachhaltiges Sanieren zu verstehen, sind die Kinder im Leobendorfer Kindergarten noch zu klein. Bald wird sich das ändern und Johannes Wahlmüller will bei den kommenden Generationen ein stärkeres Bewusstsein für dieses Thema schaffen: "Es war nicht einfach, passende Beispiele für gelungene thermische Sanierung in Wien und Umgebung zu finden. Das soll sich ändern und diese Gebäude zeigen, wie es möglich ist." In näherer Zukunft soll Wirtschaftsminister Mitterlehner überzeugt werden, im kommenden Energieeffizienzgesetz auch die thermische Sanierung gebührend zu berücksichtigen. (Michael Matzenberger, derStandard.at, 19.4.2012)

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Bildungscampus Leobendorf

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