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Scheuch bekommt eine zweite Chance vor Gericht.

Foto: ap/eggenberger

Wien/Graz - Das Oberlandesgericht (OLG) Graz hat die erstinstanzliche Verurteilung des Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreters Uwe Scheuch (FPK) aufgehoben. Damit geht der Fall zurück an das Erstgericht, das Landesgericht Klagenfurt.

Scheuch kommt "Überraschungsverbot" zugute

Begründet wird die Entscheidung des OLG Graz in einem Schreiben, das derStandard.at vorliegt, mit dem "Überraschungsverbot". In Österreich können Gerichte in Strafsachen nur aufgrund einer Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft tätig werden. Weiter heißt es in der OLG-Begründung: "Das Gericht ist aber nicht an die Qualifikation (Bezeichnung) einer Tat durch die Anklagebehörde gebunden, sondern kann den Beschuldigten auch wegen anderer rechtlicher Aspekte verurteilen, wenn es zur Überzeugung kommt, dass diese verwirklicht wurden. Damit ein faires Verfahren gewährleistet wird, darf das Gericht den Beschuldigten nicht mit seiner Rechtsansicht 'überraschen', sondern hat die Beteiligten über die geänderten rechtlichen Gesichtspunkte aufzuklären und ihnen damit die Möglichkeit einzuräumen, dazu Stellung zu nehmen."

Mit anderen Worten: Das OLG kritisiert das Erstgericht in Klagenfurt dafür, dass Scheuch nicht über die Erweiterung des Tatvorwurfs informiert worden war, bevor über ihn Recht gesprochen wurde. Der FPK-Politiker sei "in seinen Verteidigungsrechten beschränkt" worden. Sein Fall muss nun in Klagenfurt neu verhandelt werden.

Verhängnisvolles Telefonat

Scheuch war Anfang August in der "Part of the game"-Affäre zu einer Haftstrafe von 18 Monaten, sechs davon unbedingt, verurteilt worden. Er soll 2009 in einem Gespräch Bereitschaft signalisiert haben, einem potenziellen russischen Investor im Gegenzug für ein Investment die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Der FPK-Chef soll dafür eine Parteispende gefordert haben. Die Unterhaltung wurde heimlich aufgezeichnet.

Scheuch hatte das Gespräch weder an den zwei Prozesstagen noch im Vorfeld bestritten, aber stets argumentiert, dass nie Geld geflossen sei. Er habe auch keine Kompetenzen bezüglich der Verleihung von Staatsbürgerschaften. Das Urteil hatte heftige Reaktionen ausgelöst, die FPK attackierte Richter Christian Liebhauser-Karl mehrfach öffentlich.

Liebhauser-Karl hatte Scheuch wegen Paragraf 304 des Strafgesetzbuchs - Geschenkannahme durch Amtsträger - verurteilt. Maßgebend für den Richterspruch, erläuterte ein Klagenfurter Gerichtssprecher damals, sei ohnehin nicht gewesen, ob Scheuch einen Vorteil als Gegenleistung für die Verleihung einer Staatsbürgerschaft, für die Förderung eines Fußballklubs oder sonst eines Projekts erwartet hatte, sondern dass er einen Vorteil gefordert hatte.

Experte: Vermeidbarer Verfahrensfehler

Helmut Fuchs, Professor für Strafrecht an der Universität Wien, sagte gegenüber derStandard.at: "Das Gericht darf nicht überraschend nach einem Tatbestand verurteilen, der nicht in der Anklage steht. Der Angeklagte muss davon verständigt werden, damit sich die Verteidigung darauf einstellen kann." Ein solcher Fehler wäre laut Fuchs vermeidbar gewesen, "es kommt aber immer wieder vor, bis vor zehn Jahren hat der Oberste Gerichtshof das noch nicht als Nichtigkeitsgrund gesehen".

Landesgericht Klagenfurt überrascht

Überrascht über die Vorgangsweise des Richtersenats gab man sich am Landesgericht Klagenfurt. Gerichtssprecher Martin Reiter erklärte gegenüber der APA: "Es handelt sich um eine reine Formalentscheidung, die in der österreichischen Rechtsprechung einzigartig ist." Kritisiert werde vom OLG eine unzureichende Rechtsbelehrung, die in der Strafprozessordnung gar nicht zwingend vorgesehen sei, meinte Reiter.

Nun muss am Landesgericht ein anderer Richter oder eine andere Richterin für eine erneute Verhandlung gefunden werden. Danach ist ein Prozesstermin festzulegen, die Causa wird dann von Grund auf neu verhandelt. Wann, ist aber noch unklar. (hays/kap/seb, derStandard.at, 19.4.2012)