Oslo - Der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik hatte nach eigenen Angaben noch viel größere Anschläge geplant. Er habe die gesamte norwegische Regierung und sämtliche Menschen auf der Insel Utöya umbringen wollen, sagte der 33-jährige Rechtsextremist am Donnerstag vor Gericht aus. Auf seine Tat bereitete er sich mindestens seit 2006 vor - unter anderem mit Videospielen, am Schießstand und mit dem Schlucken von Anabolika.

Unter anderem habe er einen Angriff auf die Parade zum 1. Mai in Oslo durchgespielt, sagte der mutmaßliche Massenmörder am Donnerstag vor Gericht. Mit einem gestohlenen Propangas-Tankwagen hätte er dabei "mehrere Tausend Menschen" töten können. Schließlich habe er ein Ziel gewählt, das ihm realisierbar erschien.

"Primäres Ziel Regierung"

Von seiner massiven Bombenexplosion im Osloer Regierungsviertel hatte sich Breivik mehr Opfer erwartet. "Die Kriterien für einen geglückten Angriff waren, dass mindestens die ersten Säulen der Gebäude zusammenbrechen und dass 12 Menschen sterben", sagte Breivik am Donnerstag vor Gericht in Oslo. "Das primäre Ziel war, die gesamte Regierung zu töten, inklusive dem Staatschef."

Als er nach dem Anschlag im Radio zunächst gehört habe, dass bei der Explosion der 950-Kilogramm-Bombe wahrscheinlich ein Mensch getötet wurde, sei er sofort weiter nach Utöya gefahren. "Da wurde mir klar, dass ich die gesamte Operation durchziehen muss." Sein Ziel sei es gewesen, alle Teilnehmer des Jugendlagers zu töten, sagte der 33-Jährige. Damals befanden sich 569 Menschen auf der Insel. Utöya sei das "politisch attraktivste Ziel gewesen", sagte Breivik. "Ich bin kein Kindermörder. Ich denke aber, dass alle politischen Aktivisten, die sich dem Kampf für eine multikulturelle Gesellschaft verschrieben haben (...) ein legitimes Ziel sind." Die meisten Opfer waren Jugendliche. Seit April 2011 nahm er nach eigenen Angaben Testosteron ein, am Tag der Taten steroide Anabolika.

Training im Schießclub

Am vierten Verhandlungstag erzählte der 33-Jährige zudem, wie er als Vorbereitung für die Angriffe Monate mit Computerspielen verbracht habe. Um seine Schießfähigkeiten auszubilden, spielte Breivik nach eigenen Aussagen den Ego-Shooter "Modern Warfare" und trainierte in einem Schießclub. Bei seinen Ausführungen zu Schießtechniken lächelte Breivik mehrmals.

"Eigentlich mag ich diese Spiele nicht", sagte er. Sie eigneten sich jedoch gut zu Übungszwecken. Er habe bis zu 17 Stunden mit dem Kriegsspiel "Modern Warfare" verbracht, um die Reaktion der Polizei und die beste Fluchtstrategie zu simulieren. Für das Fantasy-Onlinespiel "World of Warcraft" habe er sich ein ganzes Jahr Zeit genommen und dabei gut 16 Stunden am Tag gespielt. "Ein ganzes Jahr nur spielen - spielen und schlafen, spielen und schlafen - das war ein Traum, den ich hatte." Er habe sich während dieser Zeit von seinen Freuden zurückgezogen und bei seiner Mutter gewohnt, um Geld zu sparen. Sie habe sich zwar Sorgen gemacht, sagte Breivik. Er habe ihr aber natürlich nicht erzählen können, dass er eine Auszeit nehme, "weil ich mich in fünf Jahren in die Luft sprengen würde".

Der bekennende Islam-Feind beschrieb dem Gericht zudem, wie er Namen aus der Mythologie für seine Waffen aussuchte. "Das Gewehr habe ich 'Gungnir' genannt", sagte er. "Das ist der Name des magischen Speers von Odin, der zurückkehrt, wenn man ihn geworfen hat. Und die Glock-Pistole habe ich 'Mjölnir' genannt ... das ist der Hammer des Kriegergottes Thor." Die Namen habe er in Runen auf die Waffen geschrieben.

Rechtsextreme vor Gerichtsgebäude

Sein Anwalt Geir Lippestad machte die Überlebenden und Hinterbliebenen darauf gefasst, dass die Fortsetzung am Freitag "der härteste Tag" des Prozesses werden dürfte. Breivik soll dann detailliert zu den Vorgängen auf Utöya befragt werden. Seit dem Beginn des Prozesses gegen Breivik wurden rund ein Dutzend Rechtsextreme am Gerichtsgebäude aufgegriffen.

Das Verhör Breiviks soll die ganze Woche dauern. Der Prozess, in dem es drei Schöffen und zwei Berufsrichter gibt, ist auf zehn Wochen angesetzt. Bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu 21 Jahre Haft. Danach besteht die Möglichkeit, ihn lebenslang zu verwahren, sollte von ihm eine Gefahr ausgehen. Sollte er nach Einschätzung des Gerichts nicht zurechnungsfähig sein, könnte Breivik lebenslang in der Psychiatrie untergebracht werden.  (APA, 19.04.2012)