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Ein Agent des Secret Service beim Abheben des Präsidentenhubschraubers beim Weißen Haus. Der Skandal um Angehörige der Elitetruppe  lässt Fragen über die Sicherheit der USA laut werden.

Foto: APA/EPA/Wollenberg

Hinter Mark Sullivan, Leiter der Einheit, steht offiziell noch das Oval Office, das könnte sich aber bald ändern.

 

Anfangs war von fünf faulen Äpfeln im Obstgarten des Secret Service die Rede, jetzt sind es schon elf. Und niemand wagt zu prophezeien, welche Kreise die Affäre noch ziehen wird. Mindestens elf Angehörige der Elitetruppe - Leibwächter, Sprengstoffexperten und Scharfschützen - haben sich bei einem Auslandseinsatz in Kolumbien mit Prostituierten eingelassen, was dann wegen eines lautstarken Streits über die Bezahlung bekannt wurde. Zehn US-Soldaten komplettieren die Runde, von 21 Callgirls ist inzwischen die Rede - bis jetzt. Auf jeden Fall ist es eine der größten Blamagen in der Geschichte des amerikanischen Personenschutzes.

Es geschah in der vergangenen Woche, kurz bevor Barack Obama anreiste, um am Amerikagipfel teilzunehmen. Eine Zeit lang gab sich das Weiße Haus große Mühe, die Sache niedrig zu hängen. Nun aber haben Abgeordnete parlamentarische Untersuchungen angekündigt: Nicht weniger als vier Kongressausschüsse sollen dem Skandal auf den Grund gehen.

Den Tenor gibt Susan Collins vor, eine Republikanerin alter Schule, politisch eher der Mitte verpflichtet als der Tea Party. "Wer waren diese Frauen?", will die Senatorin aus Maine wissen. "Könnten sie mit Gruppen verbandelt sein, die den Vereinigten Staaten feindlich gesinnt sind? Könnten sie Wanzen platziert, Waffen manipuliert haben?" Die Thesen überschlagen sich, die Fantasie kennt keine Grenzen. Drogenschmuggler oder gar Terrornetzwerke, lautet eine Theorie, könnten die Mädchen als Lockvögel benutzt haben.

Whiskey und Callgirls

Was sich genau zutrug in Cartagena, kommt erst nach und nach ans Tageslicht. Mitte voriger Woche war ein Vorauskommando aus Washington eingeflogen, um die Sicherheitsvorkehrungen der Gipfelorganisatoren zu überprüfen. Kaum eingetroffen, schwärmten die Bodyguards zu einem Ausflug ins Nachtleben der Küstenstadt aus. Im "Pley Club", wo Stripperinnen tanzen, sollen sie teuren Whiskey getrunken und sich Frauen auf ihre Hotelzimmer bestellt haben. Am Tag danach wollte ein Freier angeblich nur 30 Dollar zahlen statt der 250, die eines der Callgirls von ihm verlangte. Es folgte ein heftiger Streit. Der Hotelmanager rief die Polizei, die Kontroverse wurde publik.

In Washington war es der Stabschef der Streitkräfte, der als Erster deutliche Worte fand. "Wir haben den Boss im Stich gelassen", ärgerte sich General Martin Dempsey. Niemand rede mehr darüber, was die Konferenz in Kolumbien an politischer Substanz brachte, es gehe nur noch um den "Zwischenfall". Obama dagegen reagierte so, wie man es von ihm kennt, als kühler Krisenmanager, der von verbalen Schnellschüssen nichts hält. Falls sich bewahrheite, was Zeitungen schrieben, sei er verärgert, ließ er ausrichten.

Wahrscheinlich muss demnächst der Direktor des Secret Service seinen Hut nehmen, auch wenn ihm das Oval Office vorläufig noch das Vertrauen ausspricht. Es ist nicht das erste Mal, dass sich Mark Sullivan, seit sechs Jahren auf dem Chefposten, für eine Peinlichkeit entschuldigen muss.

2009 war es einem Hochstaplerpaar, Tareq und Michaele Salahi, gelungen, sich bei einem Galadiner ins Weiße Haus einzuschleichen. Und das bei einem Präsidenten, der angesichts diffuser Morddrohungen weißer Rassisten einen breiteren Sicherheitskordon um sich dulden muss,als all seine Vorgänger. Sullivan, weiß Abgeordneter Pete King zu berichten, ist im Moment ein "sehr, sehr zorniger Mann". (Frank Herrmann aus Washington /DER STANDARD, Printausgabe, 19.4.2012)