Michelle Williams als Marilyn Monroe in "My Week with Marilyn".

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Eine Glanzleistung von Michelle Williams, die der Hollywood-Diva ihre Vieldeutigkeit belässt.

Wien - Siebenundzwanzig Gepäckstücke, das sagt schon alles. "Marilyn auf Reisen - das ist, als ob eine Königin auf Reisen ginge", schrieb Norman Mailer in seiner Biografie, durchaus bewundernd, über den Filmstar. Im Jahr 1956 flog die Diva mit Ehemann Arthur Miller und Übergepäck um den Preis von 1500 Dollar nach London, um ein Projekt zu realisieren, das ihr am Herzen lag. Der britische Schauspielstar Laurence Olivier und Marilyn Monroe, erstmals in einem Film: Der Prinz und die Tänzerin ist eine Komödie, die ihren Witz wohlgemerkt Klassengegensätzen verdankt.

Vom Übergepäck ist in Simon Curtis' Film My Week with Marilyn zwar nichts zu sehen, dafür ist man jedoch bei der ersten Pressekonferenz Monroes dabei, bei der sie für die britischen Reporter ein bekanntes Bild bedient: jenes des Weltstars, der sich mit einer Dosis Naivität und erotischen Anzüglichkeiten parfümiert. Es war ein glückloser, forcierter Auftritt, und es sollte auch insgesamt kein rühmlicher Aufenthalt in England werden. Zwischen Olivier und Monroe stimmte die Chemie nicht, am Set wurde gestritten, über unterschiedliche Manieren, Arbeitsweisen und Schauspielstile (Marilyn hatte Paula Strasberg, ihren Coach, mit dabei).

Angelpunkt von My Week with Marilyn ist allerdings eine dritte Figur, die das Geschehen ein wenig auf Distanz rückt: Es ist Colin Clark (Eddie Redmayne), ein junger Mann aus gutem Haus, der unbedingt zum Film will. Bei Der Prinz und die Tänzerin erhält er seinen ersten Job und kommt so mit einem Mal seinen Träumen sehr nahe. Clark, der über seine Erlebnisse erst im Jahr 2000 ein Buch geschrieben hat, auf dem nun auch der Film basiert, ist ein in seiner Schwärmerei zwar befangener Erzähler, als Vermittler von Projektionen auf einen Star - über den sich nicht nur viele Künstler, sondern eben auch ein Milliardenpublikum ein Bild gemacht haben - ist er jedoch nahezu perfekt.

Bilder, Posen, Klischees

Denn My Week with Marilyn ist kein Film, der ein bestimmtes Bild von Marilyn festzurren oder ein ungesehenes - sollte dies existieren - entdecken möchte. Es geht stets darum, wie andere Marilyn sehen: um die begehrlichen Blicke auf sie, um die zahlreichen Bilder, Klischees und Posen, aus denen diese Figur zusammengesetzt ist. Michelle Williams hat diese Herausforderung auf bravouröse Weise bewältigt. Sie spielt keine " echte" Marilyn, sondern Variationen mit feststehendem Repertoire: am Set unsicher, verzweifelt und plötzlich ungemein präsent; auf privaten Bühnen hingegen besitzergreifend, selbstzerstörerisch, dann wieder umwerfend verführerisch.

So sehr Simon Curtis' "period piece" auch den dramaturgischen Regeln des gängigen Unterhaltungskinos folgt, so viel Vergnügen bereitet es, sich diesem Spiel von Wirkungen und Eindrücken anzuvertrauen. Es beginnt beim Konkurrenzkampf, den Olivier mit der Amerikanerin ficht, da sein klassisches Spiel gegenüber der "method" schon ein wenig angestaubt wirkt. Kenneth Branagh, dessen Tendenz zur Übersteigerung oft nervt, ist für diesen Part der richtige Mann: Seine Hochnäsigkeit erfährt spätestens dann einen Dämpfer, als er die ersten Aufnahmen überprüft. Da kann man mit ihm dann miterleben, um wie viel unverfälschter Marilyn wirkt, wenn sie einmal den richtigen Ton trifft.

Der Isolation, in der sich die Schauspielerin letzthin verfängt - das gekränkte Kind, die missverstandene Künstlerin -, setzt der Film ihren Flirt mit Clark entgegen. Sie ist es, die ihn zu einer Ausfahrt ins britische Hinterland verführt. Natürlich ist auch dies nur eine Fantasie, von der man nicht weiß, ob sie tatsächlich stattgefunden hat. Doch anders als in den Leidensbildern Marilyns - gegen die etwa auch Mailer so vehement anschrieb, dass er ihren Freitod in Zweifel zog -, gibt sie sich nun als energische Frau zu erkennen, die sich nimmt, wonach ihr ist. Der sexy Star wird nur als Gepäck mitgeführt.

Nach Thatcher ist die Monroe bereits die zweite mythomanische Frauenfigur, die uns dieses Jahr im Kino begegnet. Wo The Iron Lady über eine Politikerin fragwürdige Mutmaßungen anstellte, entdeckt My Week with Marilyn ein Idol über seine Maskeraden. Das ungleich erhellendere Unterfangen: Auch wenn Marilyn Monroe nicht wirklich greifbar wird, so versteht man doch, was sie so anziehend machte. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 19.4.2012)