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Ein breites, straffes Kinn soll der männlichen Karriere zuträglich sein.

Foto: apa/ronald zak

Brad Pitt hat es und auch George Clooney hat es: ein ausgeprägtes Kinn. Dass beide schon einmal zum "Sexiest Man Alive" gekürt wurden, könnten sie auch dieser unteren Gesichtskante zu verdanken haben. In den USA jedenfalls scheint die Schönheit des männlichen Kinns an Bedeutung gewonnen zu haben. Laut dem US-Verband der Schönheitschirurgen sind die Zahlen der Implantat-Eingriffe am Kinn im vergangenen Jahr um 71 Prozent gestiegen. Unter den Kunden sind laut den Aussagen eines Schönheitschirurgen viele Manager.

Testosteronmarker

"Das ist insofern nachvollziehbar, als das Kinn seit jeher ein maskulines Merkmal ist. Ein massives Untergesicht entsteht in der Entwicklung unter Einfluss von Testosteron", sagt Elisabeth Oberzaucher, Attraktivitätsforscherin an der Universität Wien. Das Kinn ist also ein sogenannter Testosteron-Marker, genauso wie breite Schultern und ausgeprägte Augenbrauenwülste.

Ein straffes Kinn sei auch ein Zeichen von Jugendlichkeit und stehe für Macht und Stärke. Menschen verbinden damit laut Attraktivitätsforschung Autorität und Selbstbewusstsein - keine üblen charakterlichen Zuschreibungen für Männer mit Karriereambitionen also.

Karriereturbo Attraktivität

Überhaupt befasst sich die Attraktivitätsforschung gerne mit Karrierethemen. "Es gibt eine alte Studie aus den 1980er Jahren, in der man versucht hat, die Karrierechancen von Rekruten mit deren Kinnbreite vorherzusagen", so Elisabeth Oberzaucher. Mit breitem Kinn hatten die Bewerber - zumindest in dieser Studie - mehr Chancen, den Job zu ergattern.

Aber nicht nur die Chancen im Beruf werden durch das Aussehen beeinflusst: Attraktivität sei auch förderlich für das Gehaltskonto, so die Wissenschaftlerin. Erschreckenderweise würden schönen Menschen eher positive Eigenschaften zugeschrieben, das beginne schon in der Schule: Studien zufolge bekommen hübsche Kinder bessere Noten.

Situation in Österreich

Für Thomas Hintringer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie, ist der Trend in den USA "nicht nachvollziehbar". In Österreich gebe es zwar keine eindeutigen Zahlen zu Eingriffen am Kinn, ein Boom ist ihm hierzulande aber nicht aufgefallen. "Ich weiß, dass manche Menschen aufgrund von Kieferfehlbildungen leiden, aber das impliziert einen Eingriff aus medizinischer Notwendigkeit." Rein kosmetische Kinnverstärkungen mit Implantat kämen ihm äußerst selten unter, und dass im Speziellen männliche Manager Kunden seien, kann er nicht bestätigen.

Weibliches Konkurrenzdenken

Doch nicht immer ist Attraktivität ein Vorteil im Job, wie eine aktuelle Untersuchung bestätigt: Während männliche Jobaspiranten mit ihrer Attraktivität punkten können, verhält es sich bei Frauen genau umgekehrt, behauptet eine israelische Studie. Wurden Bewerbungen in den ausschreibenden Unternehmen selbst und nicht in externen Rekrutierungsbüros bearbeitet, kam beim Recruiting eher das Konkurrenzdenken von Frauen ins Spiel: Frauen mögen keine attraktiven Frauen an ihrer Seite, schlussfolgern die Forscher. (Marietta Türk, derStandard.at, 19.4.2012)